Du findest mich am Ende der Welt
ich, sollte kein Auge zutun in
dieser Nacht, »die nur uns gehörte«.
Ich
würde ihr eine Antwort schreiben, die die ihre noch übertraf. Ich würde bei ihr
sein wie ein brennender Schatten und dafür sorgen, daà sie sich in lustvoller
Unruhe auf ihrem Laken wälzte, bis der Morgen kam.
Meine Finger flogen über die Tastatur, ich schrieb in einem durch
bis zum SchluÃ. Dann hielt ich einen Moment inne, drückte langsam auf die
Taste, die meinen Brief freigab, und ein wahrhaft dionysisches Lächeln legte
sich über mein Gesicht.
Betreff: Die Hand, die Hand â¦
Carissima!
Ich weià nicht, womit ich Sie züchtigen soll für
diese unglaubliche Bemerkung, mit der Sie Ihren letzten Brief zum AbschluÃ
brachten. Ich bin wirklich auÃer mir!
»â¦Â und dann irgendwann werde ich diese Ihre Hand
ergreifen und sie zwischen meine Schenkel legen â¦Â«, so etwas darf einfach nicht
ungestraft gesagt werden, ohne Ihrem amourösen Kombattanten die Möglichkeit zu
geben, diesen Angriff zu parieren.
Darum hier meine Strafe: Diese Hand, die Sie so
kundig gelenkt haben, wird Sie erst lehren, was Sehnsucht ist, das verspreche
ich Ihnen.
Sie haben bis heute nicht einmal die geringste
Ahnung, kaum den blassesten Schimmer, daà sie imstande ist, Ihnen dort das
tiefste Seufzen zu entlocken, wo Sie noch niemals so geseufzt haben ⦠ein
Lippenbekenntnis ganz besonderer Art. Sie werden nach Erlösung schreien ⦠und
ich werde Sie Ihnen nicht gewähren.
Ich werde Ihre Hitze nicht löschen, Ihr Flehen
nicht erhören, ich werde Ihnen die süÃesten Qualen bereiten. Und erst nach
langer, langer Zeit, deren Dauer allein ich bestimme, nach Ihrer völligen
Kapitulation wird die Hand, die Sie zu sich gerufen haben, das Werk
vollbringen, welches Ihr Glück vollkommen macht.
Und nun schlafen auch Sie wohl, schönste
Principessa!
Ihr Duc
12
Im nachhinein weià ich gar nicht, wie
ich die folgenden beiden Wochen überstand. Sie waren geprägt von den
Vorbereitungen für die Ausstellung, die Anfang Juni stattfinden sollte, und von
sage und schreibe zweihundertdreiundzwanzig Mails, die ich mit der Principessa
wechselte.
Zumindest von mir kann ich behaupten, daà ich in
jenen Nächten, die von unseren aufregenden, aufreizenden, zärtlichen Worten und
den schönsten Träumen durchzogen waren, gut nicht schlief.
Die kleine Mailbox meines Computers war zu einem Gefängnis geworden,
das ich nur ungern verlieÃ, weil ich Angst hatte, einen Brief der Principessa
zu verpassen. So eilte ich hin und her wie Merkur, der geflügelte Bote. Ich
ging in die Galerie, um zu arbeiten, und wenn Marion nicht gewesen wäre, hätte
ich in meiner glücklichen Zerstreutheit so manchen Termin vergessen. Die
Einladungskarten kamen aus der Druckerei und waren sehr gelungen. Wir hatten
das Bild mit der Frau, die etwas will, aber noch nicht weiÃ, wie sie es
bekommt, als Motiv auf die Karten gedruckt, und Soleils Begeisterung kannte
keine Grenzen. Ich war sehr oft bei Soleil, um neue Bilder zu bewundern, die
sie meistens nachts malte, und half ihr so gut ich konnte, wenn sie einen Rat
brauchte. Ich begleitete Jane Hirstman und ihre enthusiastische Nichte, die es
sich nicht nehmen lieÃ, mich Jean-Luc zu nennen, in eine Ausstellung moderner
Kunst im Grand Palais. Ich ging ein paarmal ins Duc de Saint-Simon, um die
Details für die Ausstellung mit Mademoiselle Conti durchzusprechen, die mir
weniger formell und etwas aufgeschlossener erschien als sonst. Ihre BegrüÃung
fiel von Mal zu Mal freundlicher aus, sie kraulte Cézanne den Nacken und
stellte ihm einen Napf mit Wasser hin, wenn wir überlegten, wie etwas zu
stellen oder zu hängen sein würde. Und als sie erfuhr, daà »Monsieur Charles«
auch zu der Ausstellung kam und »sein« Zimmer benötigte, schenkte sie mir ein
wahrhaft strahlendes Lächeln.
» Smile and the world smiles at you «,
summte ich, und obwohl ich inzwischen sicherlich weniger schlief als General
Bonaparte in seinen besten Zeiten, lief ich animiert und gutgelaunt durch die
StraÃen von Paris.
Einmal traf ich mich mit Bruno im La Palette. Er hatte mir mein
Geschrei am Telefon verziehen und bestand nun darauf, seine Wette einzulösen,
obwohl er es (natürlich) immer noch bedauerte, daà nicht die schöne Soleil
diejenige welche war. Seiner Meinung nach hätten wir ein wunderbares
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