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Du findest mich am Ende der Welt

Du findest mich am Ende der Welt

Titel: Du findest mich am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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räkelte sich auf ihren weichen Kissen.
    Die
kleine Nackte schaute geradeaus, ihr feines Gesichtchen mit den aufgesteckten
blonden Haaren war von der Seite zu sehen. Und sie hatte die entzückendste
Nase, die man sich nur vorstellen konnte.

    Ich blickte auf ein berühmtes
Gemälde aus dem achtzehnten Jahrhundert, es war François Bouchers »Louise
O’Murphy«, und es zeigte die junge Geliebte von Louis XV. Ich hatte selbst
schon vor diesem Bild gestanden, das im Wallraff-Richartz-Museum in Köln hängt.
Ein weiblicher Akt, wie er bezaubernder und unverschämter in des Wortes
tiefster Bedeutung nicht sein kann.
    Auf die Rückseite der Postkarte hatte die Principessa nur zwei Sätze
geschrieben:
    Würde diese Nase Sie beim Küssen stören?
    Wenn nicht, erwarte ich Sie … bald!
    Â»Du kleine Hexe«, murmelte ich entzückt. »Das wirst du mir
büßen!«
    Â»Jean-Luc, Jean-Luc, mach auf!« Marion klopfte energisch
gegen die Badezimmertür. »Telefon für dich!«
    Ich
ließ die Karte in meiner Tasche verschwinden und öffnete. Marion zwinkerte mir
zu und hielt mir den Hörer entgegen.
    Â» Pour vous, mon Duc «, sagte sie lächelnd.
»Dein Typ ist heute offenbar sehr gefragt.«
    Ich grinste und nahm ihr das Telefon aus der Hand.
    Am anderen Ende der Leitung war eine
äußerst muntere Soleil Chabon, die aus einem Schuhgeschäft in Saint-Germain
anrief und sich mittags mit mir in der Maison de Chine verabreden wollte, um
einen »Happs zu essen« und über die Ausstellung zu reden. Natürlich sagte ich
zu.
    Abends stand ich mit knurrendem Magen und einem vollgefüllten
Einkaufswagen in einer langen Schlange an der Lebensmittelkasse im Monoprix.
    Die
Maison de Chine, ein minimalistisch-elegantes Restaurant an der Place
Saint-Sulpice, ist ein kleiner fernöstlicher Tempel der Ruhe, in dem man grünen
Tee aus Zwergenbechern trinkt und sich mit Holzstäbchen Petit-four-haft kleine
handverlesene Häppchen von weißen Porzellanschalen angelt. Es ist kein
Restaurant, wo man als europäischer Mann wirklich satt wird.
    Mit einer gewissen ungläubigen Faszination hatte ich Soleil Chabon
dabei zugesehen, wie sie ein paar winzige Frühlingsrollen und eingefärbten
Kohlsalat anmutig auf ihren Stäbchen balancierte und kurze Zeit später sagte:
»Uff, bin ich satt!«
    Das konnte ich von mir nicht behaupten. Doch wie so oft im Leben war
Essen nicht alles.
    Soleil erklärte mir, daß sie
statt der geplanten zehn nun sogar fünfzehn Bilder ausstellen wollte. Sie war
nicht zu bremsen in ihrem Tatendrang, sie hatte noch ein weiteres Bild gemalt,
sie war bestens gelaunt, und wenn Soleil gute Laune hatte, konnte sie äußerst
amüsant sein.
    So besprachen wir sehr viel, wir lachten sehr viel, und als ich am
Ende unseres vergnüglichen Treffens, das mich für einen Moment sogar die
Postkarte der Principessa vergessen ließ, fragte, ob es Neues vom
Brotmännchen-Mann gab, erlebte ich eine Überraschung.
    Â»Ach … der!« sagte Soleil und machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Ein weißer Schlappschwanz! Der hat seine Chance nicht genutzt.« Sie sah mich
an, schüttelte unwillig ihre schwarzen Locken, und ich rutschte ein wenig
unbehaglich auf meinem Stuhl herum und war mir plötzlich nicht sicher, ob an
Brunos Theorie nicht doch etwas dran war.
    Â»Er war am Samstagabend bei mir …« Soleil lächelte vielsagend. »Aber
dann … als wir … wie soll ich sagen … zusammenkamen … war plötzlich der ganze
Zauber weg.« Sie grinste. »Die reine Katastrophe!«
    Â»Und das Brotmännchen?« Ich grinste erleichtert zurück. Bruno hatte
seine Wette verloren, das war klar.
    Â»Das schwimmt schon in den Abwässerkanälen von Paris.«
    Als Soleil sich mit einer Umarmung von mir verabschiedete, sah ich
ihr noch eine Weile lächelnd nach, bis ihre große schlanke Gestalt in einer kleinen
Straße hinter der Kirche von St Sulpice verschwunden war.
    Es war wie in dem alten Kinderlied von den zehn kleinen
Negerlein. Irgendwann würde nur noch eines übrigbleiben.
    Ich hatte die Tüten mit den Einkäufen in
meine Wohnung geschleppt. Ich hatte mir ein großes Stück Bœuf in der Pfanne
gebraten und es brüderlich mit Cézanne geteilt. Ich hatte Aristide angerufen
und ihm erzählt, in welcher Form die Principessa auf die

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