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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
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Rückkehr aus dem preußischen Exil. Die Zeit des persönlichen Umbruchs ist auch eine des literarischen Umbruchs, Zeit des Wandels. Das heißt nicht, er sei literarisch unproduktiv gewesen. Lange und mit großem Eifer hat er an seinem »Hausbuch aus deutschen Dichtern seit Claudius« gearbeitet, nun ist es erschienen. Nebenher hat er in seinen Briefen mit ebenso großem Eifer Beschimpfungen gegen seinen Intimfeind Gottschall alias »Wortschwall« losgelassen, der ihm einst seine Gedichte beleidigte und nun gegen das »Hausbuch« zu Felde zieht und die Verkaufserwartungen stört. Storm hat seine »Neuen Fiedel-Lieder« gedichtet, die zum Schwächsten zählen, was er als Lyriker hervorgebracht hat. Er selber meint allerdings, in den »Neuen Fiedelliedern« habe ich wunderbarerweise den Ton der ersten, in meiner Studentenzeit gedichteten »Fiedellieder« wiedergefunden; nur so war das Vollenden eines vor über dreißig Jahren Begonnenen möglich. Das schreibt Storm an den Literaturkritiker und Lyriker Emil Kuh.
    Anders sind seine historischen Texte, die er während des Novellen-Arbeitstiefs wie nebenbei und ausprobierend schreibt. Mag sein, dass er mit seiner historisch unterlegten, mit persönlichen und phantasierten Erfahrungen angereicherten Prosa Ähnliches schaffen will wie E. T. A Hoffmann mit seinen »Serapions-Brüdern«. Dieser frühe Meister der Fantasy-Literatur wies ihm schon in »Beroliniana« einen Weg. Die heute unter »Zerstreute Kapitel« zusammengefassten Stücke »Der Amtschirurgus – Heimkehr«, »Lena Wies«, »Von heut‘ und ehedem«, »Zwei Kuchenesser der alten Zeit« und »Wie den alten Husumern der Teufel und der Henker zu schaffen machte« bilden nicht das von ihm geplante geschlossene Ganze, aber jedes Stück für sich ist beste Storm-Prosa, so unterhaltend wie lehrreich. Sie steht völlig zu Unrecht in der Rumpelkammer des Storm-Werkes, ähnlich wie die Berichte für die Schleswig-Holsteinische Zeitung von 1848. In »Von Kindern und Katzen, und wie sie Nine begruben« blickt er zurück in die eigene Familiengeschichte, erzählt von den Söhnen und vom Kindermädchen Anna. Husum und Heiligenstadt tauchen auf, und am Ende auch ein Kaninchen. Wie Kinder den Tod eines Tieres erleben, wie Erwachsene darauf sehen und sie dabei begleiten, das schildert er, ohne um den heißen Brei herumzureden. Das geht nahe und bleibt unvergesslich. Diese sieben Seiten Prosa wiegen schwerer als so manche fünfzig einer Storm-Novelle.

Eine Halligfahrt
    »Eine Halligfahrt« gehört zu den kurzen Novellen. Storm vollendet sie im Mai 1871. Von Anfang an ist er mit dieser Arbeit unzufrieden. Die Mischung aus Geschichte und Kulturgeschichte, aus persönlicher Erfahrung, Lebenstraum und aktuellem politischen Geschehen kann er nicht in ein künstlerisch geschlossenes Ganzes verwandeln. Er spürt das deutlich und schickt das Manuskript mit großen Bedenken am 11. Mai 1871, einen Tag nach dem Frieden von Frankfurt, der Frankreichs Schicksal besiegelt, mit wenig Hoffnung auf eine Veröffentlichung an Julius Rodenberg, den Herausgeber der Zeitschrift »Der Salon für Kunst, Literatur und Gesellschaft«. Der sendet, wie vom Autor befürchtet, das Manuskript mit einigen Redensarten zurück. Gut möglich, dass dem Mann vom »Salon« Storms Hass auf den Krieg, der noch in der frühen Fassung der Novelle ausgesprochen ist, nicht gefiel, denn der würde dem Hurra-Zeitgeist nach dem Sieg über Frankreich zuwider sein. Storm ist am Boden zerstört, daß das Dichten nun endlich rein aus ist, das ist eben kein Wunder, schreibt er an Ernst.
    Gelungen ist nur der Anfang mit der Schilderung der Überfahrt. Sogar den bei Storm seltenen Humor erleben wir in der Beschreibung des Schiffers, der die drei Ausflügler in sein Boot genommen hat: den Ich-Erzähler, eine junge Dame namens Susanne und deren Mutter, die Geheimrätin. Den Ich-Erzähler beschwert der Autor mit aufgesetzter Bildungsfracht und gekünstelter Rede, Susannes Mutter muss vornehmes Getue tragen, und Susanne werden vom Autor die bekannten Diminutive angesteckt: Gesichtchen, Füßchen, Köpfchen und Sommerhütchen. Der Storm-Erfahrene merkt sofort, wohin dieser Teil der Geschichte führen soll: Die junge Dame fliegt dem Ich-Erzähler bei bester Mittagssonnenhitze in die Arme – High Noon, das ist der Ort Stormscher Liebesleidenschaft, die ein kleiner Vogel, der Sperling, noch dick unterstreicht. Wegen seines frechen Paarungsverhaltens gilt er auch als Vogel der

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