Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)
mit seinem liebenswerten Witz: Wer zum Schmied gehen kann, soll nicht zum Schmiedle gehen. Ich habe deßhalb Deinen Wunsch einer Revision des Dialects an die rechte Schmiede gebracht, lieber Freund, aus welcher der lahme Gaul nun wohlbeschlagen ins Freie traben mag .
Schon in »Pole Poppenspäler« hatte Heyse das unzulängliche Bairisch in der Novelle kritisiert. Tatsächlich ist Storms bairische Mundart weder Fisch noch Fleisch. Wer mit ein wenig Dialekt-Kenntnis »Pole Poppenspäler« liest und besonders auf Liseis Rede achtet, empfindet ein Unbehagen. Ursache ist die Künstlichkeit und Unbeholfenheit des Sprechens, das nicht mehr verbessert werden konnte. Heyses Hilfsangebot kam zu spät. Bei den »Königskindern« aber klappt es noch. Heyse kann dieser Novelle zum letzten Schliff verhelfen. Auf dreiundzwanzig Seiten nimmt er kürzere oder längere Ausbesserungen vor. So geht der 18. Band der Storm-Gesamtausgabe in Druck, Glück gehabt und traurig zugleich, denn der Dichter erlebt ihn nicht mehr.
Es ist ein schlimmes Jahr, das 1886
Lucie und Elsabe, die Schwestern, die ihrem ältesten Bruder Stütze und moralischer Halt sein sollen, kehren zurück, als Storm noch tief in den vergangenen Jahrhunderten von Haderslevhuus versunken ist. Er klagt über Magenschmerzen, die ihn immer wieder von der Arbeit abhalten. Daran hat er zu tragen bis an sein Ende. Die Sorge um den Ältesten geht um, der den Vater gebeten hat, ihm nicht den Ehrentitel eines Trinkers zu geben, und die Sorge um die Töchter liegt wieder obenauf: Ich kann das Leben der Töchter oder nur einer in dem Leben des Armen nicht untergehen lassen , schreibt er an Paul Heyse. Was aber wird mit dem Leben des Armen geschehen, wenn die Töchter wieder zu Hause sind? Zu Hause wird die neue alte Sorge den Vater wieder heimsuchen: Wie sollen die Töchter hier auf dem platten Land einen Mann finden? So suche ich auch der Kinder wegen meinen jetzt wirklich schönen u. so behaglichen Landsitz zu verkaufen, heißt es weiter an den Freund in München. Es gibt weitere Gründe für ein Fortgehen: Erbstreitigkeiten mit Bruder Johannes vergällen ihm die familiäre Nachbarschaft: Das brüderliche Haus ist mir hier verleidet , schreibt er an Ernst nach Toftlund. Neumünster, Kiel, Hamburg, Schleswig, Lübeck hat er im Kopf. Husum aber drängt sich auf als günstigste Adresse: Theater, Musik, Gesellschaft sind da eine Klasse besser als in Hademarschen. Die Reventlows, Bruder Aemil und Familie wohnen dort, der Chor führt das von ihm begonnene Werk fort, und er könnte ab und zu singen und dirigieren.
Eine Anzeige steht schon im August 1884 in den »Itzehoer Nachrichten«: Landhaus-Verkauf. Wegen Ortsveränderung beabsichtige ich, meinen hiesigen, ca. 8 Minuten von Hanerau und von der Bahnstation belegenen Besitz, als: den ca. 180 Hamb. Fuß breiten und ca. 280 Fuß tiefen Garten und das vor 4 Jahren darin erbaute Wohnhaus, Parterre und Etage, mit 9 heizbaren, hellen und geräumigen Zimmern, meist mit besonders schöner Aussicht, großer, heller Küche, groß. Bodenraum und Keller, geschlossener Veranda und kleiner vorliegender Terrasse, nebst Nebengebäuden, als Waschhaus, Plättstube, Feuerungsraum, Hühnerstall etc. unter bequemen Bedingungen zu verkaufen. Reflectirende wollen sich bitte an mich wenden. In Hanerau ist die Mannhardtsche Knabenschule (bis Secunda), hier eine Töchterschule. Kirchdorf Hademarschen, den 15. August 1884. Theodor Storm .
Wir sind erschreckt worden, durch die Verkaufsanzeige, schreibt Wilhelm Petersen aus Schleswig.
Storms Eichendorff-Idee, genährt vom immerschönen, beschwörenden Blick aus dem Poetenfenster, beflügelt von der mächtigen Vorstellungskraft des Dichters, erweist sich als trügerisch, der schöne Traum von Hademarschen fällt zusammen wie ein Kartenhaus. Petersen hat Storms schon vor Jahren geäußerte Umzugsidee kritisch gesehen. Er meinte, nachdem Storm schon umgezogen war, mit einem Hauch von Poesie aus dem Gedicht »Meeresstrand«: Er hätte in Husum bleiben sollen für und für .
Storm, dessen zweifelndes Naturell auch den Umzug nach Hademarschen von Anfang begleitet hat, ist fest entschlossen: Jedes Frühjahr will er seine Villa zum Verkauf anzeigen. Bis zuletzt arbeitet er deswegen an seinen Rückzugsplänen. Er kann sie nicht mehr verwirklichen, seine Villa ist als Ferienhaus für einen reichen Hamburger zu groß und als Wohnhaus für einen möglichen Käufer aus Hademarschen zu teuer. Den fünften Aufzug meines
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