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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
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auf, nachdem »Haderslevhuus« im Oktober 1885 in »Westermanns Monatsheften« unter dem ersten Titel »Noch ein Lembeck« erschienen ist: Diese Jagd durch das alte Schloß treppauf, treppab mit der schon drei Tage alten Leiche in den Armen, vollends der Sprung mit ihr vom Thurm hinab – ich kann es heut noch nicht definiren, was mir daran gegen das Blut geht .
    Gottfried Keller äußert sich nicht, Wilhelm Petersen meint in einem Brief an ihn: Seine letzte Novelle wollte mir wenig gefallen; er wollte aber meine Aussetzungen nicht anerkennen. Ich fürchte, daß auch Sie nicht besonders befriedigt sein werden von derselben . Heinrich Schleiden schweigt dazu, Margarethe Mörike bedankt sich ehrerbietig für die Zusendung, sagt aber sonst nichts. Theodor Fontane, der nach dem Vorlesen von »Grieshuus« die ganze Familie Fontane unter Thränenwasser setzte, zählt in seinen Erinnerungen an Storm auch »Ein Fest auf Haderslevhuus« zu seinen glänzendsten Erzählungen. An Storm persönlich geht diese Botschaft allerdings nicht.
    Hingegen: Erich Schmidts unverkennbare Freude an dem Ganzen hat mich sehr erfreut, ja überrascht. Storm aber ist sich selbst nicht sicher, und zum ersten Mal, so weit überliefert, spricht er ihm gegenüber von einer Krankheit, die schon unerbittlich in sein Lebensschicksal eingegriffen hat: Krebs. Allerdings trifft das Wort noch nicht das Organ, das Storms Schicksalsorgan ist, den Magen: Das Alter, der Krebs, der am Gehirne frißt!

»Es waren zwei Königskinder«
    Schon in der letzten Korrekturarbeit von »Grieshuus« nimmt Storm sich die »Königskinder« vor; innerhalb von vier Wochen schreibt er die Novelle nieder. Und darin liegt wieder das Problem der Erzählung: der Parforceritt durch die Zeit der Fertigstellung.
    Aus einem Bericht von Sohn und Musikus Karl, der den »Perpendikelanstoß« zu dieser Erzählung schon vor über zehn Jahren gab, kann Storm nur die erste Hälfte zu einem unterhaltsamen, anmutigen Lesestück entwickeln, es hat etwas vom »Taugenichts« des Dichters Eichendorff. – Bis hierher und nicht weiter, jetzt lieber das Buch beiseitelegen und den Rest schweigen lassen, denn in seinem zweiten Teil finden wir nur halb ausgeführte und nicht organisch aus dem ersten Teil weiterentwickelte, altbekannte Storm-Themen von Liebe, Verhängnis und Tod, worauf diese Novelle hätte verzichten können. Storm scheitert hier am »Wie«. Warum am Ende die beiden »Königskinder« nicht zueinander kommen, beantwortet er nicht. Ton und Atmosphäre aus dem ersten Teil fehlen im zweiten und lassen den Leser unbefriedigt und ratlos zurück. Es hätte eine weitere Novelle vom Format des »Vetter Christian« werden können, ein schöner Lohn wäre das gewesen. So ist es nun wie es ist , schreibt Storm später schicksalsergeben an Paul Heyse.
    Erwähnenswert ist die Novelle deswegen, weil Storm hier einen fremden Dialekt einführt, das Schwäbische. Da er selber die schwäbische Mundart weder sprechen noch schreiben kann, aber unbedingt mit dieser sprachlichen Landesfarbe das Echte und Besondere in die Novelle tragen will, bittet er Margarethe Mörike, ihm bei der Abfassung der Dialektpartien behilflich zu sein. Die Schwäbin hat zwar ihre Mundart mit der Muttermilch eingesogen, traut sich aber nicht an die Aufgabe heran. Man versteht es gut, denn Dialekt reden und Dialekt schreiben sind zwei verschiedene Angelegenheiten. Das Dialektschreiben hat Margarethe Mörike nicht gelernt, deshalb bittet sie einen befreundeten schwäbischen Schriftsteller um Hilfe. Mit dessen nicht ganz einwandfrei in den schwäbischen Dialekt übersetzten Sätzen erscheint die Novelle noch 1884, zunächst unter dem Titel »Marx«, in der »Stuttgarter Zeitschrift« »Vom Fels zum Meer«. »Westermanns Monatshefte« und die »Deutsche Rundschau« gehen diesmal leer aus.
    Paul Heyse liest die Novelle erst 1888, nachdem sie bei Paetel in Buchform erschienen ist, morgens an seinem 58. Geburtstag. Er lässt kein gutes Haar an den Dialektbrocken: Dein böses Schwäbisch hat mich beim Lesen gestoßen, da es vor meiner tieferen Kenntnis nicht bestehen kann . Heyse kennt sich in der Dialekt-Szene aus und weiß, welche Kollegen sattelfest sind. Storm, der nur noch vier Monate zu leben hat und schon mit Todesqualen kämpft, greift zu, als Heyse ihm für den geplanten Band 18 der Gesamtausgabe seine Hilfe anbietet. Schon fünfzehn Tage später hat Storm die Ergebnisse eines Fachmannes in Händen. Heyse schreibt dem Husumer Freund

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