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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
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Studiosus Nordheim in der Heimat ein großer und feuriger Verehrer des schönen Geschlechts war .
    Neben dem Studium hat Berlin eine Menge zu bieten. Der Ausflug zu einer Havel-Insel wird später in der Novelle »Immensee« eine Rolle spielen, Storm besucht das Theater, erlebt mit Röse den großen Karl Seydelmann (1793–1843) in seiner Glanzrolle als Mephisto. Im August 1838 unternimmt Storm mit vier befreundeten Studenten eine vierwöchige Bildungsreise ins »Elbflorenz« Dresden. Die Freunde wohnen im italienischen Dörfchen , sie besuchen jeden Morgen die Sixtinische Madonna in der Gemäldegalerie, sie gehen in die Oper, hören die berühmte Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient und machen Ausflüge in die Umgebung.
    In Berlin frönt Storm mit Studenten-Freunden seiner Theaterleidenschaft. Die Laientruppe nennt sich »Union della scala«. Auskunft geben zwei erhaltene Theaterprogramme, die in ihrem Spaß- und Spielton an Hoffmanns »Kreisleriana« erinnern. In »Der Stellvertreter, Lustspiel in einem Akt« spielt Storm den unverbesserlichen Liebhaber . Das zweite Stück trägt den Titel: »Der reisende Student, Vaudeville in zwei Akten«, und in der Besetzungsliste ist für Brandheim, Ingenieurleutnant vorgesehen: Herr Storm, erster Tenorist . Im Februar 1839 scheint es die erste Aufführung gegeben zu haben.
    Mit dem Theaterspiel endet auch Storms Berliner Zeit im Herbst 1839, eine feucht-fröhliche, unternehmungslustige und bildungsbeflissene Zeit. Bei Gertrud Storm lesen wir allerdings: Auch in Berlin fühlte Storm sich einsam. Tiefes Heimweh befiel ihn in dem lärmenden Treiben der Großstadt. Kaum zu glauben ist Gertruds Fazit: So blieb das Jahr in Berlin ohne besondere geistige Eindrücke für ihn .
    In Berlin schrieb Storm Ende Mai 1839 das Gedicht »In der Fremde«, ein melancholisches Stück, das gleich in den ersten drei Versen den unverwüstlichen »Freischütz« anklingen lässt: Andre Wälder, andre Auen! / Längst verschwunden Strand und Meer, / Rings, wohin die Augen schauen. Im »Freischütz« singt Max, und Storm selber wird die Partie immer wieder singen: Durch die Wälder, durch die Auen / Zog ich leichten Muts dahin; / Alles, was ich konnt’ erschauen (…) . Storms Lied geht in den letzten beiden Versen stärkend, tröstend und zuversichtlich aus, und so darf man sich auch seine Stimmung denken, als er Berlin wieder verlässt. Der Weg zurück führt über Hamburg und Altona; er besucht Bertha von Buchan: Gott und seine hellen Sterne / Sind doch ewig dort wie hier!

Lieder dreier Freunde und ein Heiratsantrag
    Wieder in Kiel. Storm bezieht eine Mietwohnung in der Flämischen Straße bei Bäckermeister Andersen, wo er im Laden Brötchen kauft und die Ohren aufsperrt, um dem Bäckerkundenvolk aufs Maul zu schauen. Er wohnt zusammen mit Theodor Mommsen (1817–1903), dem in Garding bei Husum geborenen späteren Historiker.
    Storm hielt Theodor Mommsen – neben Ferdinand Tönnies – für den bedeutendsten jungen Mann, den ich in meinem Leben gefunden habe. So schreibt er rückblickend an Gottfried Keller. Man betrachte Fotos der beiden Gleichaltrigen: Storm und Theodor Mommsen zwischen sechzig und siebzig. Mommsen, der zu staatstragender Größe Emporstrebende am ebenso staatstragenden Schreibtisch, und Storm mit weichem, scheuem, ja ängstlich-offenem Ausdruck in seinem Sessel in Hademarschen.
    Storm und Mommsen haben noch einen dritten Mitmieter, Tycho Mommsen, den zwei Jahre jüngeren Bruder. Die drei verstehen sich so gut, dass sie beschließen, Gedichte zu schreiben für einen gemeinsamen Band: Liederbuch dreier Freunde . Dafür wird gedacht und gedichtet, diskutiert und gestritten. Theodor Mommsen ist der führende und regierende, blitzgescheite Kopf. Bruder Tycho nimmt das Anmaßende des Älteren wie ein jüngerer Bruder, und der gleichaltrige Storm lässt sich das ähnlich gefallen wie schon bei Röse. Er begibt sich auch ebenso bereitwillig unter die gebieterischen Kritiker-Fittiche, hält aber nicht zurück mit eigener Kritik, die er klug begründen kann. Mommsen hat Witz und Humor, er kann sich auch selber auf die Schippe nehmen. Storm zieht Gewinn aus seinem Entdeckungseifer, seinem zielsicheren Blick und klugen Urteil. Nachdem Storm durch Röse in Lübeck Eichendorff und Heine kennen gelernt hat, bringt Mommsen ihm Mörikes noch wenig bekannte Lyrik und Prosa nahe.
    Hierzu hat sich Franz Stuckert in seinen beiden Storm-Biographien von 1940 und 1955 geäußert und dabei

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