Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
Vom Netzwerk:
bald in eine verteufelt schwierige Lage geraten. Die politischen Verhältnisse in den Herzogtümern spitzen sich zu und holen ihn ein; Krieg und Frieden beschäftigen Storm, seine Familie und seine Freunde. Erst 1864, nach zehn Jahren Exil
in Preußen, wird er die Übungs- und Konzertpraxis in Husum wieder aufnehmen.

High Noon in Husum
    Constanze und Theodor. Die beiden kennen sich seit Kindertagen. Sie ist seine Kusine ersten Grades. Ihre Väter Johann Casimir Storm und Johann Philipp Ernst Esmarch waren Schüler der Husumer Gelehrtenschule und freundschaftlich verbunden, gemeinsame Studienjahre verbrachten sie in Heidelberg. Die Freunde Storm und Esmarch verbindet auch ihr Frauen-Geschmack. Nachdem Storm 1816 seine Lucie geheiratet hat und Theodor, der Älteste, 1817 zur Welt gekommen ist, verlobt sich Esmarch 1818 mit Lucies Schwester: Elsabe. Sie zieht mit ihrem Verlobten nach Segeberg, der wird dort Bürgermeister und Stadtsekretär und bringt es zu Ansehen und zum Ehrenbürger. Im Februar 1821 heiraten Ernst und Elsabe in Husum, im Hause Woldsen, in der Hohlen Gasse.
    Tante Elsabe war es, die ihren Neffen Theodor zum ersten Mal überhaupt namentlich erwähnte: Theodor ist ein Engel, schrieb sie an ihre Mutter in Husum, und Elsabe wurde für Theodor zur geliebten Tante. Vielleicht lag das an dem Schubs, den Elsabe ihrem Engel gab, wenn der als Kind auf der Schaukel an der Lindenlaube im Garten der Hohlen Gasse saß. Die Tante hatte ihren Lieblingsneffen und der Neffe seine Lieblingstante.
    Zwischen 1821 und 1839 bekommt sie neun Kinder, die 1825 geborene Constanze ist Kind Nummer drei und älteste Tochter. Verwandtschaft, Freundschaft, Liebe und Heimatverbundenheit knüpfen ein starkes Band zwischen Segeberg und Husum. Wann immer möglich wird in Segeberg der große Reisewagen startklar gemacht, dann fährt Elsabe mit ihrer zahlreicher werdenden Kinderschar in die Ferien nach Husum. Ein langer, beschwerlicher Weg über Neumünster und Rendsburg. Und von Husum aus fährt die Verwandtschaft den ebenso beschwerlichen Weg nach Segeberg. So kommt es, dass Theodor sich als Kind in Segeberg ebenso gut auskennt wie Constanze in Husum. Günstiger Boden für die Entwicklung einer Kinderfreundschaft.
    Den Sommer 1843 verbringt die inzwischen achtzehnjährige Constanze wieder einmal in der Hohlen Gasse bei Onkel und Tante, bei Vettern und Kusinen. Der Trubel in Husum muss für sie nun eine willkommene Abwechslung gewesen sein. Zu Hause in Segeberg ist sie dem Rhythmus und Zwang der Familienordnung unterworfen: Kindermädchen für die jüngeren Geschwister, Wäsche waschen, plätten und glätten, Küchen- und Putzdienste, Knopf annähen, Saum säumen, Geschenke basteln und was sonst noch in Frage kommt für eine junge Frau, die eine mäßige Schulbildung mit anschließendem Privatunterricht zu Hause erhalten hat.
    Die junge Frau ist im heiratsfähigen Alter. Das großväterliche Haus mit den vielen Storms und Woldsens, der Umgang der Verwandtschaft mit den »Oberschichtlern« von Husum, die ernsthaften und vergnüglichen Unternehmungen sind für Constanze das richtige Umfeld. Hier kann sie auch weiter fürs Leben lernen und, zusammen mit den Eltern, hoffen, der Richtige möge auftauchen und um ihre Hand anhalten.
    Tauchte keiner auf, dann konnte die Tochter aus gutem Hause das Schicksal »Gesellschafterin« treffen; auch Storms Mutter leistete sich eine. Eine Gesellschafterin blieb manchmal jahrelang, manchmal aber kam sie auch nur im Winter, um die Dunkelheit erträglicher zu machen und die Zeit kurzweiliger, dann sparte sie in ihrem eigenen ärmlichen Unverheirateten-Zuhause Feuerung für den Ofen und Zucker für den Tee. Dafür leistete sie einer Frau, die ihr Auskommen hatte als Ehefrau oder Witwe, Gesellschaft und kam so über die Runden. Dieses Schicksal wollten wohlhabende Eltern ihren Töchtern möglichst ersparen. Es galt, Ausschau zu halten nach dem richtigen Partner. Bildung und Geld und guter Ruf waren stets willkommen, mehr noch: Sie geisterten als Traum und Ideal in den Köpfen der Eltern herum, damals wie heute.
    Selbstverständlich nimmt Storm die Kusine gleich mit in den Singverein. Chorleiter Storm entbehrt ihre schöne Altstimme, wenn Constanze in Segeberg weilt. In Husum aber ist sie auch sonst immer dabei: Ausflug nach Rödemis zu Johann Casimirs ehemaligem Kutscher Thomas Ingwersen, zwei Pferde vor dem Wienerwagen, man sitzt pompös auf lederbezogenen Sitzen. Bei den Ingwersens gibt es Kaffee und

Weitere Kostenlose Bücher