Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
Vom Netzwerk:
daß er das Seinige dazu tun wird .
    Den Husumer Segen haben die Jungverlobten also. Ja, trotz der Erb- und Vererbungs-Bedenken wegen der engen Blutsverwandtschaft erscheint Vater Storm froh und erleichtert. Einen Pferdefuß hat seine Empfehlung allerdings: Freund Esmarch möge, gemeinsam mit ihm, die Bedingung stellen, daß die Heirat 1 ½ bis 2 Jahre hinausgeschoben werde. Hier spricht wieder der bodenständige, von Vernunft und Erfahrung geleitete Mann. Der gleichgesinnte Freund in Segeberg stimmt der Auflage zu. Constanze bedankt sich in einem Brief an ihre Eltern: Meinen herzlichsten Dank sage ich Euch meine geliebten Eltern für Eure herzliche und frohe Einwilligung.
    Gegen den Wunsch der zukünftigen Schwiegereltern, Constanze möge nun nach Hause kommen, wehrt sich Theodor mit einer Retourkutsche für den Pferdefuß, auf den sich Johann Casimir mit dem Onkel und Schwiegervater in spe geeinigt hat: Wenn wir uns nicht gleich heirathen können, warum sollen wir denn nicht wenigstens so viel als möglich zusammen sein? – Sie ist ja auch hier in ihrer Familie und wohl aufgehoben; auch kann sie ja kochen lernen, wenn’s denn schon nöthig ist. Doch will ich bescheiden sein, und vorläufig nur bitten, sie wenigstens bis Ostern behalten zu dürfen. Dann will ich, wenn’s Euch lieb ist, sie selbst nach Segeberg zurückbringen und dort ein paar Tage bei Euch bleiben . Auch das geht in Ordnung, Storm wird acht Tage über Ostern in Segeberg bleiben. Wieder in Husum schreibt er einen ewig langen Brief an Constanze. Dieser Brief ist nicht erhalten. Ein anderer, kürzerer ist das erste bekannte Zeugnis des nun beginnenden Briefwechsels. Der erste erhaltene Brief liegt in einer Paketsendung mit Kuchen, wahrscheinlich für Constanze und Familie, die mitgeschickten Strumpfbänder sind für Constanzes Schwester bestimmt.
    Entsprechend der elterlich verfügten Verlobungszeit dauert die Korrespondenz von April 1844 bis kurz vor der Hochzeit im September 1846. Der elterlichen Auflage verdanken wir eine wunderliche und befremdliche, aber auch erhellende und bezaubernde Korrespondenz des Paars. Ein einzigartiges Dokument menschlicher Schwäche und Stärke, Offenheit und Intimität, nicht ohne Ticks und Tricks: Kleinigkeitskrämereien, Nachsicht, Hinter-
list, Aufrichtigkeit, Hingabe, Verzweiflung, Hochmut, Bescheidenheit, Eifersucht, beleidigte Leberwurst – immer aber ist die Rede von der Liebe, und nicht zuletzt zeugt diese Korrespondenz von einem staunenswerten Briefschreiberfleiß. Wo gibt es Vergleichbares?
    Ein Blick durchs Schlüsselloch in die Verrücktheiten der Liebe? Ja, vor allem sind es die Verrücktheiten des Verlobten Theodor Storm, die uns in den Briefen begegnen. Mögen sie manchmal auch Kopfschütteln oder Erschrecken hervorrufen, so verbietet sich gleichwohl, von der höheren Leser-Warte den Zeigefinger zu heben. Diese Briefe haben ihre unantastbare Würde. Dass dieser Glücksfall aufbewahrt wurde, ist vor allem das Verdienst der Storm-Nachkommen, die vielleicht Storms mahnenden Zeigefinger in einem seiner Briefe an Constanze erkannten: ordne doch meine Briefe einmal, wir wollen Deine Antworten nachher dabei legen und sie dann bewahren. Das ist für den Überlebenden doch ein kleiner Schatz . Storm sieht von Anfang an ein Projekt in diesem Briefwechsel. Das soll in der Verlobungszeit bewirtschaftet und zum Ziel geführt werden. Er schreibt an Constanze: wir leben doch nicht, um zu genießen, sondern um uns auszubilden . Man kennt das schon vom Langzeit-Projekt Bertha.
    Die nervösen Verrücktheiten lagen in der Familie. Mutter Lucie litt an heftiger und häufiger »Nervenreizbarkeit«. Auch Schwester Helene hatte davon ihren Teil; besonders aber ist Storms jüngere Schwester Cäcilie Opfer dieses Familienleidens geworden. Und Mutter Lucies Schwester Elsabe, Storms Lieblingstante und Schwiegermutter, wurde 1871 in die Schleswiger Landesirrenanstalt eingeliefert und starb dort zwei Jahre später.
    Die drei jüngeren Brüder, Johannes, Otto und Aemil, waren psychisch eher auf der widerstandsfähigen Seite. Storm selber hat auf sein mütterliches Erbteil immer wieder hingewiesen: Mir geht’s wie mit unsrer Mutter in Husum, dann kaputt und dann gesund; er hat sich in seiner Seelenfassung mehr weiblich als männlich gedeutet: ich bin ja leider so nervös wie ein Frauenzimmer .
    Vor allem hatte Storm Angst, die nervliche Schwäche könnte sich auf seine Kinder übertragen haben. Storms Verhältnis zu Bertha von

Weitere Kostenlose Bücher