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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
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Gedanken sind ihm fern.
    Vierzehn Tage später, noch im aufgewühlten Fahrwasser des Sängerfestes, wird die Husumer Liedertafel gegründet, der Männergesangverein. Storm bekommt Konkurrenz. Chorleiter wird Lehrer Sahr, der einen schönen Bariton hat und im Storm-Chor als wichtige Stimmstütze mitwirkt. Storm sieht die Liedertafel seiner Heimatstadt mehr von der pragmatisch-vernünftigen Seite. Er möchte um der Praxis willen solche Bekanntschaften nicht von der Hand weisen, schreibt er an Constanze. Als Lehrer Sahr nach Kappeln versetzt wird, übernimmt Storm sogar für einige Monate dessen Dirigentenposten.
    Grundsätzlich bleibt Storm aber bei seiner kritischen Einstellung zur Liedertafel. Er lehnt den Männerchor als unterschwellig wirkendes Instrument in Gesellschaft und Politik ab. Während woanders immer wieder Schleswig-Holstein meerumschlungen, Was ist des Deutschen Vaterland und Soldatenabschied: Morgen marschieren wir gesungen wird, hält der Dichter und Advokat fest an seinen musikalischen Vorlieben: Beethoven, Weber, Mozart, Mendelssohn. Und er hält fest an Kunst und »Ziergärtnerei« des gemischten Chors. In seiner Novelle »Ein stiller Musikant« (1875) lässt er daran keinen Zweifel, und er erzählt auch von der Zeit, als er – eigentlich gegen seine Überzeugung – den Chorleiter-Posten bei der Liedertafel übernommen hatte. Dem Musikmeister legt Storm folgende Worte in den Mund: » Leider die Liedertafeln!« wiederholte er, indem er heftig an seiner Pfeife zog und große Dampfringe vor sich hinstieß. »Sie sind mir niemals recht gewesen; der ewige Männergesang! Es ist, als ob ich Jahr aus, Jahr ein nur immer in den unteren Oktaven spielen wollte! Auch war gar bald der Geruch der Bierbank von ihnen unzertrennlich. – Gleichwohl konnte ich nicht umhin, die mir angetragene Direktion der Liedertafel zu übernehmen. Es war eine bunte Gesellschaft: Handwerker, Kaufleute, Beamte; sogar ein Nachtwächter, der ein ordentlicher Mann und ein außerordentlicher Bassist war, wurde aufgenommen .
    Einen kurzen Ausflug ins Politisch-Gesellschaftliche leistet Storm sich mit seinem Singverein doch, als im September 1845 der dänische König Christian VIII. auf Staatsbesuch in Husum weilt. Vizekonsul Kaeselau bittet den Dichter und Chorleiter um ein Empfangslied, das ein Chor junger Mädchen vortragen soll. Storm springt hier über seinen Schatten, schließlich handelt es sich um einen Dienst an der Vaterstadt und um den Respekt vor dem Landesherrn, und endlich singt hier ein »Nixenchor«, also ein reiner Frauenchor, der unter seiner Stabführung auftreten soll. Storm dichtet die Nixenworte, die dem König zu Ehren gesungen werden sollen: Heil dir, heil dir, hoher König. Er komponiert auch eine wohlgelungene wogenschlagrythmische Melodie […]. Sie soll jetzt nur noch vierstimmig arrangirt werden . Storm ist sich nicht sicher, ob er die Noten auch grammaticalisch richtig gesetzt hat und bittet den Organisten Windt um Nachhilfe.
    Der König wird mit Hurrarufen und Glockengeläut empfangen. Storm fühlt sich nicht wohl in seiner Haut und hält diese übertriebene Empfangsfeierlichkeit bei der Stimmung des Landes eigentlich für eine Blamage . Als wenn er selber hinter den Kulissen Schicksal gespielt hätte: Seine Sache geht schief. Die Damen seines Chores sind toll verkleidet als Nixen mit einem 6 Ellen langen Schleier, dem man Atlasperlen, die wie Wassertropfen glänzen sollen, und Korallen aufgenäht hat. Sie tragen Haarkränze aus Moos und Schilf, und sie gehen musikalisch baden. Ob die von Storm vorgesehenen zwei Flöten und ein Fagott auch mitwirkten, darüber wissen wir nichts. Nach dem Auftritt vor dem Schloss schreibt Storm an seine Verlobte: Da plötzlich »Hurra!«, der König war da. Er trat auf die ersten Stufen, wo ein Kind ihm meine Verse überreichte. Nun gab ich an, und der Chor wogte los – falsch, abscheulich, herzzerreißend!
    Konzert-Veranstaltungen und Übungsabende des Singvereins haben ein Ende, als im November 1847 Storms Schwester Helene im Kindbett stirbt; ihr Kind stirbt eine Woche später. Niemand kann sie als Klavierspielerin, die den Chor begleitet, ersetzen. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum Storms Singverein vorläufig den Singbetrieb schließt. Immer wieder klagt Storm über die mangelhafte Beteiligung an den Übungsabenden. Das war wieder ein miserabler Singverein , schreibt er an Constanze. Private Gründe kommen hinzu. Der Dichter wird demnächst heiraten und sehr

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