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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
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Preußens, das ist Fontane auch, reist in staatlicher Zeitungsmission auf die Insel, um die »Deutsch-Englische-Pressekonferenz« zu gründen. Briefe zwischen ihm und Storm gehen nun seltener hin und her. Nach seiner Rückkehr aus England 1859 bekommt er Post von Storm. Ziemlich ultimativ bittet dieser ihn, ihm bei der Übersetzung von »Immensee« behilflich zu sein; denn Helene Clark, die sich als Übersetzerin angeboten hat, kann es Storm nicht recht machen. Trotz seiner mäßigen Englischkenntnisse greift er mit erstaunlichem Gespür in den Text ein.
    Typisch Fontane: Er ist diplomatisch und freundschaftlich-hilfsbereit zur Stelle, weist Storm aber darauf hin, er könne Miss Clark‘s Übersetzung
nur auf seine Weise prüfen und bewerten. »Immensee« erscheint als erste Storm-Publikation in fremder Sprache: »Immensee or The old man’s reverie by Th. Storm. Translated with the permission of the author from the eighth edition of the German by H. Clark.« Das Buch wird 1863 verlegt bei Emil Carl Brunn in Münster, wo auch im selben Jahr die Novellen »Auf der Universität« und »Im Schloß« erscheinen. Brunn hat kein Geschäftsglück, vor allem die englische Version von »Immensee« wird für den Verleger ein Reinfall. Wer will sie in Deutschland kaufen? Und wie soll ein Vertrieb des Buches in England gelingen, wenn der Verleger keine diesbezüglichen Verbindungen hat?
    Auch später noch, als preußischer Kreisrichter in Heiligenstadt, trifft Storm seine Freunde weiterhin in Berlin. Dreißig Jahre später hat sich Fontane mit einem köstlichen Stück Prosa in seiner Erinnerungsschrift »Von Zwanzig bis Dreißig« an ein Treffen mit dem Husumer im Februar 1864 in Berlin erinnert. Das ist wie eine Vorübung für einen neuen Roman. Fontane schildert seinen Kollegen liebevoll und ironisch, nicht ohne sorgenvollen Beistand. Als Erstes fällt ihm Storms Anzug unangenehm ins Auge: Hose und Jacke nicht auf Berliner Niveau, abgetragen ohnehin, der Shawl mit den zwei Puscheln ein altes, allzu langes und altersschwaches Stück Wolle.
    Fontane nähert sich mit seinem Begleiter dem »Café Kranzler«: Gardekürassiere, die uns anlächelten, blicken wohl von oben herab, sicher deswegen, weil der Mann von der Nordseeküste ein eigenwilliges Bild abgibt. Mehr Uniform und soldatische Haltung wäre Fontane lieber gewesen. Etwas Offiziersmäßiges, das mir glücklicherweise gänzlich abgeht, hat Storm einmal an Mörike geschrieben, er ist der kleine, etwas gebeugte Mann , so hat ihn rückblickend Franziska zu Reventlow (1871–1918) geschildert, die ihn als kleines Mädchen im Husumer Schlossgarten spazieren gehen sah.
    Hier bei »Kranzler« am Tiergarten vergnügen sich die hochgewachsenen, schlanken Gardeleutnants aus Potsdam und Berlin. Der Gardeleutnant aus Potsdam, der über dem Gardeleutnant aus Berlin steht, kann es besser, denn er beherrscht den Gardeleutnantston noch vollkommener und souveräner. Dichter Storm versteht sich nicht auf diesen guten Ton, er lehnt ihn ab aus tiefstem Herzen. Für Kranzler war er nicht geschaffen , schreibt Fontane in seinen Erinnerungen.
    Als Fontane bald nach dem Krieg mit Dänemark das Gelände des siegreichen preußischen Feldzugs von 1864 in Schleswig-Holstein erkundet, nutzt er die Gelegenheit zu einem Abstecher nach Husum. Er kommt von der preußischen Siegesstätte, den Düppeler Schanzen, über Flensburg und besucht Storm. Kurz vor der Jahreswende 1864 fordert Fontane, der eifrige Preuße und Freund des Militärs, Storm, den Preußen-Hasser und Feind des Militärs, auf, ein Weihelied auf den Sieg über die Dänen zu dichten. Schließlich, das hat Fontane wohl im Hinterkopf, sind die Schleswig-Holsteiner damit aus dem Joch der vierzehn Jahre währenden Besatzungszeit befreit worden. Fontane selber hat zu Ehren der sieggekrönt zurückkehrenden Preußen Einzugsverse geschrieben, hier die erste von sieben Strophen:
    (7. Dezember 1864)
    Wer kommt? Wer? –
Fünf Regimenter von Düppel her.
Fünf Regimenter vom dritten Korps
Rücken durchs Brandenburger Tor;
Prinz Friedrich Karl, Wrangel, Manstein,
General Roeder, General Canstein,
Fünf Regimenter vom Sundewitt
Rücken sie an in Schritt und Tritt.
    Storm findet Fontanes Gedicht meisterhaft und antwortet: Liebster Fontane, Hol Sie der Teufel! Wie kommen Sie dazu, daß ich eine Siegeshymne dichten soll! […] Ueberhaupt, ich habe den Phrasenkram, aus dem sich diese Welt zusammensetzt, mitunter bis zum Speien satt. – – . Die beiden

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