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Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Titel: Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Tannen
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von mir sprechen.« Nach einer Pause entgegnet Winston: »Nun, bei mir ist es die Schule. Schule ist wie ein Symbol dafür, dass man noch keinen festen Platz im Leben gefunden hat.« Er scheint zu implizieren, dass er keine Freundin hat, weil er Student ist und deshalb auch noch keinen festen Platz im Leben hat. Aber er drückt es indirekt aus und trifft eine allgemeine Feststellung über seine Situation: »Bei mir ist es die Schule.« Und Timothy formulierte eine indirekte Frage, ebenfalls in Form einer Feststellung (»Aber ich will nicht einfach nur von mir sprechen«), statt sich direkt zu erkundigen: »Wie ist es bei dir?« In anderen Kontexten, wenn es zum Beispiel darum geht, gemeinsame Vorlieben und Entscheidungen auszuhandeln, sind Frauen öfter indirekt als Männer. Aber wenn es darum geht, über persönliche Beziehungen und über Gefühle zu sprechen, sind es eher die Männer.

»Ziemlich misstrauisch«
    Ein deutlicher Fall von Indirektheit ist Winstons Aussage, dass manche Männer vorsichtig werden, was Beziehungen angeht, weil sie verletzt worden sind oder, wie er es ausdrückt, »sich die Finger verbrannt« haben.
    Ich glaube, bei vielen Leuten ist es so, dass sie anfangs, wenn sie jung sind vielleicht, die Einstellung haben, dass man 100 Prozent geben sollte, und dann verbrennen sie sich die Finger. Oder sie denken das. Und dann sind sie wahrscheinlich erst mal eine Weile, na ja, ziemlich misstrauisch, was Beziehungen angeht.
    Winston scheint anzudeuten, dass man ihn verletzt hat und er aus diesem Grund noch keine neue Beziehung eingegangen ist. Aber wenn er das meint, so sagt er es doch nicht direkt. Er sagt überhaupt nichts über seine persönlichen Beziehungen.

Folge dem Anführer
    Ein Vergleich der Videoaufzeichnungen der Mädchen und Jungen, Männer und Frauen, die sich unter diesen experimentellen Bedingungen mit ihren Freunden unterhalten, bestätigt das geschlechtsspezifisch unterschiedliche Verhaltensmuster. Die Gespräche zeigen, dass Mädchen und Frauen sich nach Kräften bemühen, verbindende Gemeinsamkeiten zu schaffen, über Probleme in ihren persönlichen Beziehungen reden und angesichts eines zu starken Übereinstimmungsdrucks um die Bewahrung ihrer Individualität kämpfen. Die Jungen und Männer bemühen sich nach Kräften, in einer hierarchischen Welt ihre Unabhängigkeit aufrechtzuerhalten und innerhalb konkurrenzbetonter Strukturen Nähe herzustellen. Aber es war irreführend zu glauben, dass die Freundschaften der Mädchen gänzlich egalitär seien. Ein wichtiger Aspekt dieser Videoaufzeichnungen ist die Asymmetrie, die in allen Gesprächsaufstellungen zu beobachten ist.
    Unter den Jungen der zweiten Klasse ist Jimmy eindeutig der Anführer: Er ist der Einzige mit ausführlichen Redebeiträgen, er erteilt Befehle und gibt Instruktionen, er hänselt Kevin, und er initiiert die meisten Gesprächsbewegungen. Bei den Jungen der sechsten Klasse ist Tom der Anführer, der die meisten Themen anspricht, der Hauptredner ist und in zwei Beispielen von Berichts-Sprechhandlungen die Rolle des Ausführenden übernimmt. Von den fünfundfünfzig in ihrer Interaktion behandelten Themen werden vierzig von Tom aufgeworfen. Walt, der im Allgemeinen eine beitragende und unterstützende Rolle übernimmt, bringt fünfzehn Themen auf, von denen sechs mit der Zimmereinrichtung zu tun haben.
    Bei den Mädchen ist die Situation wesentlich komplizierter. Die Mädchen der zweiten Klasse sind die einzigen, in deren Verhältnis keine offensichtlichen Asymmetrien feststellbar sind. Die von den Mädchen aus der sechsten und zehnten Klasse eingenommenen Aufstellungen sind auffallend asymmetrisch, obwohl viele ihrer Äußerungen offenbar darauf zielen, Unterstützung und Verbundenheit zu demonstrieren.
    Bei den Sechstklässlerinnen scheint Julia die Anführerin zu sein. Von vierzehn besprochenen Themen wirft sie zwölf auf. Ein Großteil der Unterhaltung dreht sich um ihre Beziehung zu Mary, die Aufrechterhaltung von Freundschaften und ihre Angst vor Trennung und Verlust. Als der Testleiter nach den verabredeten fünf Minuten kurz den Raum betritt, ist Julia diejenige, die mit ihm redet. Und doch ist es Shannon, die das Gesprächsthema von Julias Beziehung zu Mary »auswählt«, indem sie sagt: »Zu schade, dass du und Mary keine Freundinnen mehr seid.«
    Ähnlich ist es bei den Zehntklässlerinnen; sie besprechen hauptsächlich Nancys Probleme, aber es ist Sally, die das Thema vorschlägt. Auf Nancys Frage:

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