Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Titel: Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Tannen
Vom Netzwerk:
ganze Gespräch hindurch beobachten. Interessant ist, dass Spuren einer ähnlichen Anspannung auch schon bei den Sechstklässlerinnen erkennbar sind. Julia, die eifrig darum bemüht ist, Harmonie zu verbreiten und Konflikte zu vermeiden, betont im Gespräch mit Shannon, dass sie sich nie zanken. Shannon bestreitet das kurz und sagt, sie würden es doch tun.

    Shannons Äußerungen sind nicht alle deutlich zu verstehen, aber es ist klar, dass sie eigentlich anderer Ansicht ist, als Julia behauptet, sie würden nie streiten. Sie sagt: »Wenn wir ›Himmel und Hölle‹ spielen, haben wir schon mal Meinungsverschiedenheiten und streiten uns.« Aber Julia beharrt darauf, dass, obwohl sie vielleicht gelegentlich – banale – Meinungsverschiedenheiten haben, sie nicht – ernsthaft – streiten, und Shannon gibt ihren Widerspruch schnell auf. Ref 120
    Diese ansatzweise Unstimmigkeit entwickelt sich in der Unterhaltung zwischen Pam und Marsha, den erwachsenen Frauen, die Dorval filmte, zum beherrschenden und wiederkehrenden Gesprächsthema. Pam beginnt die Unterhaltung mit der Feststellung, dass ihr an Marsha besonders gut gefalle, dass sie immer einer Meinung mit ihr sei. Die Bemerkung ist offenbar als Kompliment gedacht, Pam will ausdrücken, warum sie befreundet sind. Vielleicht will sie begründen, warum sie Marsha als Partnerin für das Experiment ausgewählt hat. Aber Marsha empfindet die Bemerkung anscheinend als herabsetzend, so, als ob Pam andeuten wollte, sie hätte keine eigene Meinung. Im weiteren Verlauf des Gesprächs erklärt Marsha wiederholt, dass sie nicht mit Pam übereinstimmt, und Pam versucht, die Unstimmigkeit herunterzuspielen, mit dem Ergebnis, dass die Unterhaltung sich zu einer ausgedehnten Meinungsverschiedenheit entwickelt.

Die Kunst, dem anderen immer um eine Nasenlänge hinterherzuhinken
    Marsha versucht zu beweisen, dass sie und Pam nicht einig und nicht gleich sind, indem sie zum Beispiel darauf hinweist, dass Pam eine bessere Studentin ist und mehr Selbstvertrauen hat. Das führt zu einer beeindruckenden Variante des Hase-und-Igel-Spiels, bei der es darum geht, der Hase zu sein. Pam erklärt, dass sie nicht so selbstsicher und keine so gute Studentin sei, wie Marsha behauptet. Andererseits beschuldigt sie Marsha, eine bessere Studentin zu sein, als sie zugeben will:
    Marsha: Nun, das ist auch so was. Du bist immer, ich meine, ich bin so schlecht. Wenn ich einen Kurs belege, kann ich höchstens auf eine Drei hoffen – wenn überhaupt. Ich schätze, es ist schon Ewigkeiten her, seit ich mal einen Einser gekriegt hab.
    Pam: Sodass du es gar nicht mehr versuchst?
    Marsha: Na ja, es ist irgendwie unerreichbar für mich.
    Pam: Für mich auch.
    Marsha: Na hör mal, Pam, jedes Mal, immer wenn ein neues Semester anfängt, bei jedem Kurs, erzählst du mir, dass du unbedingt eine Eins kriegen willst.
    Pam: Einser? Ich krieg Dreien. Ich versuch es, aber ich krieg nie eine Eins. Immer nur Dreien. Na ja, vielleicht außer in Psychologie. Aber auch nicht oft.
    In diesem Gesprächsausschnitt unterstreicht Pam ihre Verbundenheit mit der Freundin, indem sie Marshas Satz zu Ende führt:
    Marsha: Ich schätze, es ist schon Ewigkeiten her, seit ich mal einen Einser gekriegt hab.
    Pam: Sodass du es gar nicht mehr versuchst?
    Und sie versucht, »Ich bin genauso« zu spielen:
    Marsha: Na ja, es ist irgendwie unerreichbar für mich.
    Pam: Für mich auch.
    Aber Marsha will Pam diese Gleichheit nicht zugestehen:
    Marsha: Na hör mal, Pam, jedes Mal, immer wenn ein neues Semester anfängt, bei jedem Kurs, erzählst du mir, dass du unbedingt eine Eins kriegen willst.
    Pam jedoch bleibt bei ihrer Behauptung und sagt, dass sie eigentlich keine Einser bekommt, und wenn, dann nur selten.
    Pam: Einser? Ich krieg Dreien. Ich versuch es, aber ich krieg nie eine Eins. Immer nur Dreien. Na ja, außer in Psychologie. Aber auch nicht oft.
    Mangelnder Erfolg scheint wie Gleichheit und Übereinstimmung eine Ware zu sein, mit der Pam versucht, eine symmetrische Beziehung herzustellen.
    Wie bei Marshas Behauptung, dass Pam selbstsicher sei, scheint Pam auch den Hinweis, dass sie bessere Noten erziele, nicht als annehmbares Kompliment, sondern als Vorwurf aufzufassen, dem sie etwas entgegensetzen muss. Als ob sie zum Gegenangriff übergehen würde, betont Pam, dass Marsha im Religionsunterricht sehr gut abgeschnitten hat: »Du warst toll bei den Tests, du hattest alle fünfzehn Fragen richtig«, während »ich die Kapitel

Weitere Kostenlose Bücher