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Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Titel: Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Tannen
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anschafften?« Steve beantwortet meine Frage nicht gleich. Stattdessen beendet er zunächst Peters Ausführungen: »Wir hatten zwar einen Fernseher, aber wir saßen nicht dauernd davor.« Erst dann wendet er sich der Beantwortung meiner Frage zu: »Wir waren noch ziemlich klein. Ich war vier, als meine Eltern sich einen Fernseher anschafften.« An anderer Stelle ignoriert Steve meine Frage. Ich erkundige mich: »Ihr habt in Nissenhütten gewohnt? Wie alt wart ihr da?« Ohne überhaupt auf meine Frage einzugehen, erzählt Steve von einem Erlebnis seines Vaters, das ihm bei der Erwähnung der Nissenhütten eingefallen ist. Wenn Steve meine Fragen nicht als störend empfindet, so liegt das zum Teil daran, dass er sich nicht verpflichtet fühlt, sie zu beantworten – aus demselben Grund habe ich keine Hemmungen, reichlich damit um mich zu werfen. Die Überlappungen sind auch deshalb kooperativ, weil sie das Thema nicht wechseln, sondern vertiefen.

Misslungene kooperative Überlappungen
    Der Erfolg dieser kurzen Unterhaltung hatte nichts damit zu tun, ob die Sprecher sich überlappten oder unterbrachen; es war ein erfolgreiches Gespräch, weil die Sprecher ähnliche Gewohnheiten und Einstellungen hatten, was Gesprächsüberlappungen angeht. Das nächste Beispiel zeigt eine Phase desselben Tischgesprächs, das nicht erfolgreich verlief. Peter und ich wirkten dabei wieder mit, aber statt mit Steve unterhalten wir uns diesmal mit David, einem Vertreter des besonders rücksichtsvollen Stils.
    David, ein Dolmetscher für amerikanische Zeichensprache, erzählt uns von seinem Fachgebiet. Peter und ich überlappen uns beim Zuhören und klinken uns mit unterstützenden Fragen ein, so, wie ich es vorher bei Peter und Steve gemacht hatte. Auch in diesem Fall zeigen die Fragen eher Interesse an den Aussagen des Sprechers als einen Themenwechsel an. Aber sie haben einen ganz anderen Effekt:

    Peters und meine Kommentare klinken sich alle in Davids Aussagen ein oder überlappen sie, wie die Pfeile verdeutlichen. Aber nur zwei von Davids sieben Bemerkungen überlappen sich mit unseren. Außerdem macht David mit diesen beiden Äußerungen  – mit der einen, die nicht zu verstehen ist (angezeigt durch die Schrägstriche und das Fragezeichen), und mit der anderen, als er »Nein« sagt – wahrscheinlich den Versuch, den ersten Teil meiner zweigeteilten Frage zu beantworten (»Kommt man von allein auf diese, diese, ähm, Entsprechungen?« und »Erklärt einem jemand die Bedeutung?«). Davids Pausen, sein Zögern, die Wiederholungen und Umschreibungen deuten darauf hin, dass er sich unbehaglich fühlt. Als ich ihm diesen Gesprächsabschnitt vorspielte, meinte er, dass das Gesprächstempo im Allgemeinen und die Fragen im Besonderen ihn unvorbereitet getroffen hätten und dass er sich bedrängt gefühlt habe.
    Es ist mir unangenehm, dieses Gespräch gnadenlos abgedruckt vor mir zu sehen, weil es mich so tyrannisch erscheinen lässt. Und doch weiß ich genau, dass ich David gegenüber (der nach wie vor einer meiner engsten Freunde ist) die besten Absichten hatte und mich über seine vagen Antworten wunderte. Als ich verglich, welchen Effekt meine »Maschinengewehr-Fragen« bei David und welchen sie bei Steve und Peter gehabt hatten, habe ich zu meiner Erleichterung festgestellt, dass sie im Gespräch mit anderen besonders involvierten Sprechern ihren beabsichtigten Zweck erfüllten: Sie wurden als ein Zeichen von Interesse und Anteilnahme verstanden; sie ermutigten und bestärkten den Gesprächspartner. Aber besonders rücksichtsvolle Sprecher fühlten sich dadurch unterbrochen und gestört. Die Unterbrechungen und das Unbehagen wurden nicht durch die Überlappungen oder das schnelle Tempo ausgelöst, sondern durch den unterschiedlichen Gesprächsstil . Urteile wie schnelles Tempo oder Pausen sind das Ergebnis eben dieser Stilunterschiede. Ein »schnelles Tempo« ist kein inhärentes Merkmal, sondern resultiert aus den Sprechweisen der Beteiligten im Verhältnis zueinander . Ich könnte hinzufügen, dass ich durch die Arbeit für dieses Buch gelernt habe, keine Maschinengewehr-Fragen oder kooperative Überlappungen bei Leuten zu benutzen, denen das unangenehm ist – ein positiver Nebeneffekt, der durch mein besseres Verständnis für unterschiedliche Gesprächshaltungen ausgelöst wurde.

Kulturelle Unterschiede
    Die drei besonders involvierten Sprecher in meiner Tischgesprächsstudie waren New Yorker Juden. Zwei der drei besonders

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