Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
Aufnahme das erste Mal anhörte, hatte ich auch diesen Eindruck. Aber die Angeklagten plädierten auf unschuldig: Sie behaupteten, sie hätten nicht die Absicht gehabt, das Gespräch zu dominieren; sie hätten sich gewundert, warum die anderen so zurückhaltend gewesen seien. Ich konnte dieses Rätsel erst lösen, als ich verschiedene Abschnitte des Gesprächs miteinander verglich.
Die unbeabsichtigten Unterbrechungen – und der Eindruck von Dominanz – entstanden, weil die Freunde einen unterschiedlichen Gesprächsstil hatten. Ich nenne diese Sprechweisen »besonders rücksichtsvoll« und »besonders involviert«, weil es bei der einen primär darum ging, sich nicht in den Vordergrund zu drängen, um anderen gegenüber rücksichtsvoll zu sein, und bei der anderen primär darum, begeistertes Engagement zu zeigen. Zu einigen scheinbaren Unterbrechungen kam es, weil besonders rücksichtsvolle Sprecher längere Pausen zwischen einem Sprecherwechsel erwarteten. Während sie auf einen passenden Einsatz warteten, hatten die besonders involvierten Sprecher das Gefühl, die anderen wüssten nichts zu erzählen, und sprangen ein, um kein peinliches Schweigen entstehen zu lassen.
Andere unbeabsichtigte Unterbrechungen ergaben sich, wenn die besonders involvierten Sprecher sich einmischten, um Bestätigung und Interesse zu demonstrieren: Die besonders rücksichtsvollen Sprecher missverstanden diesen Ermunterungschor als Versuche, ihnen das Wort zu entreißen, und hörten auf zu reden, weil sie ein für ihre Ohren misstönendes Stimmengewirr vermeiden wollten. Ironischerweise waren die scheinbaren Opfer nicht nur diejenigen, die diesen Vorgang als Unterbrechung interpretierten – sie erzeugten ihn auch. Wenn die besonders involvierten Sprecher haargenau die gleiche Praktik untereinander anwandten, war das Ergebnis positiv statt negativ: Wenn jemand sich einmischte, hielt das die anderen nicht vom Weiterreden ab. Es förderte den reibungslosen Ablauf des Gesprächs und regte die Unterhaltung an.
Hier sind zwei Beispiele aus meiner Studie, die diese kontrastierenden Situationen illustrieren und zeigen, wie unterschiedlich Überlappungen sich in einer Unterhaltung auswirken können. Das erste Beispiel zeigt eine Überlappung, die in einem Gesprächsabschnitt, wo drei besonders involvierte Sprecher sich unterhalten, einen positiven Effekt hatte. Das zweite Beispiel zeigt Überlappungen zwischen besonders involvierten und besonders rücksichtsvollen Sprechern, die zum Abbruch der Unterhaltung führten. Das Geschlecht hat bei den hier präsentierten Gesprächen keinen Einfluss auf das Überlappungsmuster; doch nur, wenn man versteht, wie Überlappungen grundsätzlich funktionieren oder nicht funktionieren, lässt sich das Verhältnis von Geschlecht und Unterbrechung begreifen. Ref 92
Erfolgreiches kooperatives Überlappen
Das erste Beispiel stammt aus dem Kontext einer Diskussion über den Einfluss des Fernsehens auf Kinder. Nur drei der sechs Freunde beteiligten sich, die drei besonders involvierten Sprecher: Steve (der Gastgeber), Peter (Steves Bruder, der bei ihm zu Gast war) und Deborah (die Autorin dieses Buches, die ebenfalls eingeladen war). Steve stellte die Behauptung auf, dass fernsehen schlecht für Kinder sei, und ich antwortete darauf mit der Frage, ob Steve und Peter als Kinder ferngesehen hätten? Vielleicht war es kein Zufall, dass ich als Frau einen anderen Schwerpunkt setzte und auf eine abstrakte, unpersönliche Aussage mit einer persönlichen Frage reagierte. Ref 93
Wie die vertikalen Linien und Pfeile andeuten, enthält diese Konversation viele Überlappungen und »Einklinkungen« – ein zweiter Sprecher beginnt zu reden, ohne eine Pause eintreten zu lassen. Dennoch zeigen die Sprecher keine Anzeichen von Ärger oder Unbehagen. Alle drei Sprecher klinken sich abwechselnd in Äußerungen der anderen ein oder unterbrechen sie. Bei diesem Gespräch operieren die Brüder Steve und Peter als Duo, ähnlich wie Denise und Stacy in dem vorherigen Beispiel.
Die Unterhaltung enthält einen Hinweis darauf, warum es besonders involvierten Sprechern nichts ausmacht, wenn ihre Äußerungen sich überlappen. Diese Sprecher lassen Einmischungen zu, wenn ihnen danach zumute ist, wenn nicht, geben sie keine Antwort oder ignorieren die Einmischung völlig. Als Peter zum Beispiel sagt: »Wir hatten einen Fernseher in den Nissen [Hütten]«, unterbreche ich ihn mit der Frage: »Wie alt warst du, als deine Eltern ihn
Weitere Kostenlose Bücher