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Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Titel: Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Tannen
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waren eine Aufforderung an die Psychotherapeutin, sie zu unterbrechen, um selbst das Wort zu ergreifen. Beide  – Patientin und Psychotherapeutin – waren New Yorkerinnen, Jüdinnen und Frauen.

Ein Wort der Warnung
    Die Gegenüberstellung dieser zwei Themenkomplexe – Geschlecht und Unterbrechung auf der einen und ethnisch geprägter Gesprächsstil auf der andere Seite – stellt uns vor ein entscheidendes und schwieriges Problem. Wenn es theoretisch falsch, empirisch nicht haltbar und moralisch fragwürdig ist, zu behaupten, dass Sprecher aus bestimmten ethnischen Gruppen aufdringlich, herrschsüchtig oder rücksichtslos sind, weil sie Angehörige anderer, »populärerer« ethnischer Gruppen scheinbar unterbrechen, kann man dann eine Wissenschaft gutheißen, die »beweist«, dass Männer Frauen dominieren, weil sie sie in Gesprächen scheinbar oft unterbrechen? Wenn die Wissenschaftler, die herausgefunden haben, dass Männer Frauen in Gesprächen unterbrechen, meine Tonbandaufnahmen der Unterhaltung zwischen New Yorker Juden und kalifornischen Christen »analysieren« würden, kämen sie zweifellos zu dem Schluss, dass die New Yorker die anderen »unterbrochen« und »dominiert« hätten und damit zu demselben Eindruck, den die anwesenden Kalifornier hatten. Dieser Eindruck entsprach jedoch nicht den Intentionen der New Yorker und – was entscheidend ist – war nicht allein ein Ergebnis ihres Verhaltens. Das Muster scheinbarer Unterbrechungen resultierte vielmehr aus den unterschiedlichen Sprechweisen. Mit anderen Worten, eine derartige »Forschung« würde wenig mehr tun, als die ethnozentrischen Normen der Mehrheitsgruppe auf das kulturell andere Verhaltensmuster der Minderheitsgruppe anzuwenden.
    Ähnlich verhält es sich mit der These, dass Männer Frauen dominieren, weil sie sie in Gesprächen unterbrechen: Auch hier wird unterschwellig von der Voraussetzung ausgegangen, dass Konversation ein kommunikativer Vorgang ist, bei dem nur ein Sprecher zur Zeit reden sollte. Diese irreführende Unterstellung hat äußerst negative Folgen für Frauen. Wenn Frauen unter sich sind und ungezwungene, freundliche und beziehungsorientierte Gespräche führen, benutzen sie häufig Überlappungen: Hörer und Sprecher reden oft gleichzeitig, um Interesse und Bestätigung auszudrücken. Es ist die Beobachtung dieser Praktik, die bei Männern zu dem Stereotyp der laut schnatternden Gänseschar geführt hat. Und Frauen, die solche Unterhaltungen genießen, wenn sie daran teilnehmen, fühlen sich hinterher oft verlegen und schuldig, weil sie die Ein-Sprecher-zur-Zeit-Ethik akzeptiert haben, die eher dem »öffentlichen« Gesprächsstil bzw. der Berichtssprache von Männern angemessen ist als dem »privaten« Gesprächsstil bzw. der Beziehungssprache von Frauen.
    Vergleicht man die Forschungsergebnisse, die besagen, dass Männer Frauen unterbrechen, mit meiner Tischgespräch-Analyse, ergeben sich Parallelen im Linguistischen, aber Widersprüche im Politischen. Juden sind eine Minderheit in den Vereinigten Staaten, so wie Schwarze und Angehörige anderer Gruppen, für die eine besonders involvierte Sprechweise charakteristisch ist. Minderheiten sind im Nachteil. Aber bei der Mann-Frau-Konstellation ist es die Frau, die sozial und kulturell im Nachteil ist. Und insofern gleicht die Situation der Frauen derjenigen der ethnischen Minderheiten, die aus politischen Gründen dem Vorwurf der Dominanz ausgesetzt sind. Ref 98
    Die meisten Leute würden zustimmen, dass in unserer Kultur die Frauen als Klasse von den Männern als Klasse beherrscht werden, wie in den meisten, wenn nicht allen Kulturen dieser Welt. Deshalb würden viele es ablehnen, die Geschlechterfrage als interkulturelles Kommunikationsproblem zu betrachten, weil es für sie der Versuch wäre, tatsächliche Herrschaftsstrukturen zu verschleiern und mit einem Mantel kultureller Unterschiede zu bedecken. Obwohl ich diese Haltung gut verstehen kann, sagt mein Gewissen mir, dass man nicht beides haben kann. Wenn wir die Forschungsergebnisse in einem Bereich – in dem des Männer-unterbrechen-Frauen  – akzeptieren, kommen wir zwangsläufig in eine Position, in der wir die Behauptung akzeptieren müssen, dass besonders involvierte Sprecher, wie Schwarze und Juden und, sehr oft, Frauen, aufdringlich, aggressiv oder rücksichtslos oder laut und dumm sind.
    Die Konsequenzen einer solchen Haltung sind besonders gefährlich für Amerikanerinnen aus ethnischen oder

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