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Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Titel: Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Tannen
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rücksichtsvollen Sprecher waren Katholiken aus Südkalifornien, und einer stammte aus London. Obwohl ein Beispiel mit drei Leuten überhaupt nichts beweist, ist es eine weitverbreitete Ansicht, dass viele (natürlich nicht alle) jüdischen New Yorker, viele nicht-jüdische New Yorker und viele Juden, die nicht aus New York stammen, einen stark involvierten Gesprächsstil haben und dass sie Gesprächspartner anderer Herkunft  – wie die Kalifornier in diesem Beispiel – oft unterbrechen. Aber zahlreiche Kalifornier erwarten kürzere Pausen als viele Leute aus dem Mittelwesten oder aus Neuengland, sodass bei einer solchen Zusammensetzung die Kalifornier diejenigen sind, die den anderen ins Wort fallen. Als ich in New York lebte, galt ich als außergewöhnlich freundlich, in Kalifornien dagegen manchmal als grob – ähnlich ging es einer freundlichen Kalifornierin aus meinem Bekanntenkreis, die nach Vermont zog und schockiert und verletzt war, als man ihr rüdes Benehmen vorwarf.
    Der Kreis ist endlos. Die Linguisten Ron und Suzanne Scollon zeigen, dass Amerikaner aus dem Mittelwesten, die in Unterhaltungen mit Leuten von der Ostküste vielleicht oft unterbrochen werden, zu aggressiven Wortabschneidern werden, wenn sie sich mit athapaskischen Indianern unterhalten, die ihrerseits weit längere Pausen erwarten. Viele Amerikaner lassen schwedische und norwegische Gesprächspartner nicht ausreden, doch die Finnen, die noch längere Pausen machen, halten ihrerseits die Schweden und Norweger für Gesprächsrowdys, wobei es in Finnland auch wieder regionale Unterschiede gibt, was die Länge der Pausen oder der Gesprächseinsätze angeht. Aufgrund dieser regionalen Unterschiede – so die finnischen Linguisten Jaakko Lethonen und Karl Sajavaata – gelten Finnen aus bestimmten Landesteilen als schnellschwätzende Aufdringlinge und Finnen aus anderen Regionen als stockend redende Tölpel.
    Anthropologen berichten von vielen Völkern auf der ganzen Welt, bei denen das Auf-einmal-Reden in Alltagsplaudereien hoch geschätzt ist. Dies scheint in mehr Teilen der Welt die anerkanntere Norm zu sein als die nordeuropäische Regel des Einer-zur-Zeit. Karl Reisman prägte den Begriff der kontrapunktischen Konversation , um die überlappende Sprechweise zu beschreiben, die er in Antigua beobachtet hatte. Karen Watson lieh seinen Begriff aus, um eine Sprechgewohnheit hawaiischer Kinder zu verdeutlichen, die gemeinsam Witze erzählen und ein »Geschichtengespräch« führen. Watson erklärt, dass für diese Kinder die Beteiligung an einem Gespräch nicht eine Sache des persönlichen Ausdrucks, sondern »ausgedrückte Partnerschaft« ist. Michael Moerman hat ähnliche Beobachtungen bei thailändischen Konversationen gemacht. Reiko Hayashi hat entdeckt, dass japanische Sprecher bei zwanglosen Gesprächen wesentlich häufiger gleichzeitig reden als Amerikaner. Jeffrey Shultz, Susan Florio und Frederick Erickson haben festgestellt, dass ein italoamerikanischer Junge, der in seiner Schule als schwer verhaltensgestört galt, sich lediglich auf eine Art und Weise in Gespräche einmischte, die bei ihm zu Hause als angemessen und normal betrachtet wurde. Alle diese Wissenschaftler dokumentieren Beispiele überlappenden Sprechens, das weder destruktiv noch darauf angelegt ist, andere zu dominieren oder in ihren Rechten zu verletzen. Es ist vielmehr etwas Kooperatives, ein Mittel, um Gemeinsamkeit, Teilnahme und Verbundenheit zu demonstrieren. Kurz gesagt – gleichzeitiges Sprechen kann durchaus eine Form von Beziehungssprache sein.

Frauen als kooperative Überlapper
    Es ist paradox (in Anbetracht der Männer-unterbrechen-Frauen-Forschung) und äußerst bedeutsam für unsere Fragestellung, dass auch Frauen zu den Bevölkerungsgruppen gehören, die Gespräche mit mehreren gleichzeitig redenden Personen bevorzugen. Die Volkskundlerin Susan Kalcik zeichnete die Gespräche einer Frauengruppe auf und machte damit als eine der Ersten die wissenschaftliche Entdeckung, dass Frauen eine überlappende Sprechweise anwenden. Die Linguistinnen Deborah James und Janice Drakich haben vergleichende Studien über das Interaktionsverhalten bei reinen Männer- und bei reinen Frauengesprächen ausgewertet und festgestellt, dass dokumentierte Unterschiede sich hauptsächlich darauf bezogen, dass Frauen mehr zu Unterbrechungen neigten.
    Die Linguistin Carole Edelsky stieß unbeabsichtigt auf die weibliche Vorliebe für eine überlappende Sprechweise, als sie

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