Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
sein sollte, so lange fortzufahren, bis er seine Ideen vollständig und zu seiner Befriedigung dargelegt hat. Meine Mutter, meine Schwestern und ich halten es für akzeptabel, dass man in ungezwungenen Gesprächen im Familien- oder Freundeskreis dazwischengeht, wenn man zu wissen glaubt, auf was der andere hinauswill; wenn man sich irrt, steht es dem anderen frei, den Fehler zu korrigieren, aber wenn man Recht hat, genießen alle das Gefühl von Verbundenheit und Harmonie, das sich einstellt, wenn man verstanden wird, ohne alles aussprechen zu müssen.
Was mein Vater davon hält, wurde vor einigen Jahren deutlich, als er etwas erzählte und meine Mutter sich einmischte. Er stieß einen wehmütigen Seufzer aus und sagte zu meiner Mutter: »Du hast einen Vorteil, meine Liebe. Wenn ich etwas sagen möchte, muss ich warten, bis alle still sind. Aber du kannst jederzeit alles sagen, was dir gerade einfällt.« Meine Mutter ihrerseits kann nicht verstehen, warum mein Vater irgendwelche Sonderrechte braucht, um etwas zu erzählen – warum geht er nicht einfach dazwischen, wie wir anderen auch? Und ich kann mich noch gut erinnern, dass ich mich als Teenager immer wie ein Mitglied der Jury fühlte, das gerade einem Plädoyer zuhört, wenn mein Vater, der als Anwalt arbeitet, mir etwas erklären wollte.
Sowohl der Mann als auch die Frauen in meiner Familie fühlen sich also gelegentlich durch die Sprechweisen des anderen unterdrückt – er, weil er unterbrochen wird und nicht die nötigen Pausen entdecken kann, die er braucht, um selbst das Wort zu ergreifen, und wir, weil er sich Überlappungen verbietet, sie vermeidet und sich nicht einfach wie alle anderen am Gespräch beteiligen will. Die Frauen in meiner Familie schätzen Überlappungen und Unterbrechungen als Zeichen der Verbundenheit bei ihrer beziehungsorientierten Sprechweise, während der Mann in meiner Familie es mehr schätzt, wenn er bei seiner berichtsorientierten Sprechweise nicht bedrängt wird. Und er behandelt ungezwungene häusliche Gespräche eher wie ein Berichtsgespräch als die Frauen.
Warum beklagen sich dann aber Frauen, dass sie von Männern unterbrochen würden? Meine Schwestern, meine Mutter und ich erwarten von meinem Vater, dass er genauso wie wir kurze Bemerkungen einstreut. Genauso hält vielleicht ein Mann, für den Konversation ein Kampf um die Gesprächsführung ist, Frauen für gleichberechtigt und erwartet, dass sie genauso um die Rolle des Wortführers konkurrieren wie er selbst. Aber bei Frauen ist ein solches Verhalten sehr unwahrscheinlich, weil sie Unterhaltungen nicht als Wettstreit verstehen und wenig Erfahrung darin haben, sich die Aufmerksamkeit zu erkämpfen. Elisabeth Aries stellte im Gegenteil fest, dass Frauen, die in Diskussionsrunden viel redeten, häufig schweigsamere Gesprächsteilnehmer zum Sprechen ermutigten.
Unkooperative Überlappungen
Sind Männer oft verärgert, weil Frauen mit ihren kooperativen Überlappungen das Thema scheinbar überflüssig ausschmücken, ärgern Frauen sich oft über Männer, weil sie ein Thema usurpieren oder es einfach wechseln. Ein Beispiel für diese Art von Unterbrechung wird in »Hässlich sind Sie auch«, einer Kurzgeschichte von Lorrie Moore, skizziert. Die Heldin dieser Geschichte, eine Geschichtsprofessorin namens Zoe, hat wegen eines Magengeschwürs einen Ultraschalltest machen lassen. Als sie nach der Untersuchung nach Hause fährt, betrachtet sie sich im Rückspiegel und erinnert sich an einen Witz: Ref 99
Sie dachte an den Witz, bei dem ein Mann zum Arzt geht und der Arzt sagt: »Also, ich muss Ihnen leider die traurige Mitteilung machen, dass Sie nur noch sechs Wochen zu leben haben.«
»Dazu möchte ich noch eine zweite Meinung einholen«, sagt der Mann …
»Sie möchten eine zweite Meinung? In Ordnung«, erwidert der Arzt. »Hässlich sind Sie auch.« Sie mochte den Witz. Sie fand ihn ungeheuer, ungeheuer lustig.
Später in der Geschichte besucht Zoe eine Halloweenparty und unterhält sich mit einem kürzlich geschiedenen Mann namens Earl, den ihre Schwester bei ihr abgeladen hat. Earl fragt: »Was ist Ihr Lieblingswitz?« Dann passiert Folgendes:
»Oh, mein Lieblingswitz ist wohl – okay, in Ordnung. Ein Mann geht zum Arzt, und –«
»Den kenne ich, glaub ich«, unterbrach Earl sie eifrig. Er wollte ihn selbst erzählen. »Ein Mann geht zum Arzt, und der Arzt sagt, er habe eine gute und eine schlechte Nachricht für ihn – richtig?«
»Ich weiß nicht«,
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