Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
regionalen Bevölkerungsgruppen, die einen stark involvierten Gesprächsstil bevorzugen. Die USA haben ein dramatisches Beispiel solcher Auswirkungen erlebt, als Geraldine Ferraro, eine New Yorkerin italienischer Abstammung, sich für das Amt der Vizepräsidentin bewarb und von Barbara Bush, einer Frau mit »Mehrheits«-Herkunft, als »Schlampe« bezeichnet wurde. Wenn man die besonders involvierte Sprechweise in Anlehnung an die Männer-unterbrechen-Frauen-These als Dominanz betrachtet, führt das zu der hässlichen Schlussfolgerung, dass viele Frauen (einschließlich zahlreicher Frauen, die afrikanischer, karibischer, südeuropäischer, südamerikanischer, levantinischer, arabischer und osteuropäischer Herkunft sind) dominierend, aggressiv und aufdringlich sind – also Eigenschaften haben, die bei Frauen weit negativer bewertet werden als bei Männern.
Viele Frauen berichten davon, wie schwierig es sein kann, sich in Interaktionen mit Männern (vor allem in »öffentlichen« Situationen) Gehör zu verschaffen. Als Frau, die diese Schwierigkeiten aus persönlicher Erfahrung kennt, bin ich versucht, die Männer-unterbrechen-Frauen-These bereitwillig zu akzeptieren: Es würde mir die Möglichkeit geben, meine Erfahrungen auf eine Weise zu erklären, die andere zu Sündenböcken macht. Als besonders involvierte Sprecherin jedoch bin ich gekränkt, wenn ein Aspekt meiner Konversationsweise aufgrund des Standards von Leuten, die sie weder verstehen noch teilen, als abstoßend qualifiziert wird. Als in New York aufgewachsene jüdische Frau, die die negativen Vorurteile gegenüber New Yorkern und Frauen und Juden nicht nur kränkend, sondern auch beängstigend findet, schrecke ich davor zurück, wenn wissenschaftliche Forschung der Untermauerung eines Stereotyps dient, das einer bestimmten Sprechergruppe negative Intentionen und Charaktereigenschaften zuschreibt. Als Linguistin und Wissenschaftlerin weiß ich, dass Gespräche nach wesentlich komplexeren Mustern ablaufen. Als Mensch möchte ich verstehen, was vor sich geht.
Wer unterbricht wen?
Der Schlüssel für ein Verständnis dieser Vorgänge liegt, zumindest teilweise, in der Unterscheidung von Beziehungs- und Berichtssprache – das heißt in der charakteristischen Weise, in der die meisten Frauen Sprache benutzen, um Gemeinschaft herzustellen, und in der viele Männer Sprache benutzen, um Kämpfe auszutragen. Diese unterschiedlichen Sprechweisen führen dazu, dass, obwohl Männer und Frauen beide den Vorwurf erheben, vom anderen unterbrochen zu werden, sie sich jeweils über ein ganz anderes Verhalten beschweren.
Männer haben mir oft erzählt, dass sie sich unterbrochen fühlten, wenn Frauen zustimmende oder bestätigende Kommentare abgaben oder vorwegnahmen, was der Mann ihrer Meinung nach sagen wollte. Wenn eine Frau die Erzählung eines Mannes unterstützte, indem sie sich ausführlich über einen ganz anderen als den beabsichtigten Aspekt ausließ, fühlte der Mann sich in dem Recht auf seine eigene Geschichte verletzt. Er sah die Einmischung als Versuch, das Gespräch zu kontrollieren.
Ein Mann erzählte mir zum Beispiel, wie er einmal ehrenamtlich die Aufgabe des Kassierers bei einem Wohltätigkeitsbasar übernommen hatte. Als er am Ende des Tages Kassensturz machte, entdeckte er einen Fehlbetrag, den er aus eigener Tasche bezahlen musste. Eine Frau, die seinen Schilderungen zuhörte, überlappte seine Geschichte mit Kommentaren und Sympathiebekundungen; sie ließ sich ausführlich darüber aus, wie unfair es ihm gegenüber gewesen sei, dass er das Geld ersetzen sollte, wo er schon seine Zeit geopfert habe. Aber dem Mann ging es bei dieser Geschichte gar nicht um die erlittene Ungerechtigkeit; er fühlte sich unterbrochen und »manipuliert«, weil er das Gefühl hatte, dass die Frau ihm seine Geschichte entreißen wollte. Ihre Verfehlung bestand in einer (seiner Ansicht nach) überzogenen Beziehungssprache.
Das führt mich zurück zu meinem Vater und warum er vielleicht so gern den Witz über den Mann erzählt, der nicht mit seiner Frau sprach, weil er sie nicht unterbrechen wollte. Mein Vater glaubt, dass immer nur einer zur Zeit reden sollte. Deshalb hat er oft einen schweren Stand, wenn er in Unterhaltungen, die meine Mutter, meine zwei Schwestern und mich einschließen, zu Wort kommen will, weil wir uns überschneiden und keine Pausen zwischen unseren Äußerungen lassen. Er findet auch, dass, wenn er dann einmal zu Wort kommt, ihm gestattet
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