Du lebst nur zweimal
Weiberheld. Ich hab auch Ehrgeiz in dieser Richtung. Es ist mir gelungen, ihn vor zwei Heiraten zu bewahren. Tiger ist so verrückt, daß er sie immer gleich heiraten will. Er bezahlt schon für drei Weiber Alimente. Dadurch hat er mir gegenüber ein ON. Das ist soviel wie ’ne Verpflichtung - und in Japan fast so wichtig wie das >Gesicht<. Wenn man ein ON hat, fühlt man sich nicht glücklich, bis man es auf ehrenvolle Weise losgeworden ist. Schenkt Ihnen ein Japaner einen Lachs, können Sie sich nicht mit ’ner Krabbe revanchieren. Es muß wieder ein Lachs sein, womöglich ein noch größerer, damit Sie den edlen Spender übertreffen; dann hat er nämlich Ihnen gegenüber wieder ein ON. Zur Zeit hat Tiger mir gegenüber ein ziemlich großes ON, das er nur schwer loswerden kann. Er zahlt’s mit verschiedenen Geheimtips in Raten zurück. Und jetzt hat er wieder ’ne Portion wettgemacht, indem er Sie so kurz nach Ihrer Ankunft empfängt. Wenn Sie ein gewöhnlicher Bittsteller wären, hätten Sie wochenlang warten können. Er hätte Ihnen das große steinerne Gesicht gezeigt. Er dürfte geneigt sein, Ihnen entgegenzukommen, weil das sein ON mir gegenüber aufheben und mir ’nen ganzen Haufen ON zu seinen Gunsten aufladen würde. Aber die Sache ist noch viel komplizierter. Alle Japaner haben ein ständiges ON gegenüber ihren Vorgesetzten, dem Kaiser, ihren Ahnen und gegenüber den japanischen Göttern. Und das können sie nur abtragen, indem sie >das Richtige< tun.«
»Das hört sich aber nicht sehr demokorasu an.«
»Das ist es auch nicht, Sie schwachsinniger Hinterwäldler. Machen Sie sich doch endlich mal klar, daß die Japaner ’ne besondere Menschenrasse sind. Als zivilisiertes Volk benehmen sie sich erst seit höchstens hundert Jahren. Schauen Sie einem Russen hinter die Maske, und Sie finden einen Tataren. Schauen Sie einem Japaner hinter die Maske, und Sie finden einen Samurai. Nur weil die Leute steife Hüte tragen und Baseball spielen, sind sie noch keineswegs >zivilisiert<. Ich will sogar noch weitergehen. Nehmen Sie die sogenannte Befreiung der Kolonialvölker. Man nimmt ihnen nur ihre Blasrohre weg und gibt ihnen dafür Maschinengewehre. Warten Sie ab, bis der erste anfängt, nach Kernwaffen zu schreien. Weil die Brüder mit den lausigen Kolonialmächten >gleichberechtigt< sein müssen. In spätestens zehn Jahren ist es soweit, mein Freund. Und wenn’s soweit ist, grab ich mir ’n großes Loch und setz mich rein.«
Bond lachte. »Das klingt aber auch nicht sehr demokorasu.«
»Ich scheiß auf deine demokorasu, hätte Freund Hemingway gesagt.« Dikko goß seine neunte Flasche saké hinunter.
»Um Himmels willen, Dikko! Wie, zum Teufel, sind wir auf die Politik gekommen? Lassen Sie uns lieber was essen.«
»Sie sind ’n Weichling! - Nein«, sagte Dikko Henderson, stand auf und feuerte eine Reihe anscheinend unmißverständlicher japanischer Worte auf den Mann hinter der Bar ab, »ehe ich Sie ganz runterputze, gehn wir in ’ne Kneipe zum Aalessen. Dann besuchen wir das >Haus der vollkommenen Freude<. Und danach sag ich Ihnen meine ehrliche Meinung über Sie.«
»Sie sind ein nichtsnutziger Bastard, Dikko. Aber ich hab Aale gern«, sagte Bond. »Ich bezahle sie und die anschließende Unterhaltung. Sie zahlen die Getränke.«
Dikko Henderson zog ein Bündel Banknoten im Wert von je tausend Yen aus der Tasche und begann den Betrag für den Kellner abzuzählen. Er ging majestätisch auf die Bar zu und wandte sich an den großgewachsenen Neger im roten Smoking, der dahinter stand: »Melody, du solltest dich schämen!« Dann schritt er würdevoll vor Bond aus dem Lokal.
5
Dikko Henderson holte Bond am nächsten Morgen um zehn Uhr ab. Er hatte einen tüchtigen Kater. Seine harten blauen Augen waren blutunterlaufen, und er steuerte direkt auf die Bambus-Bar zu und bestellte sich einen doppelten Brandy mit Ginger Ale. Bond sagte freundlich: »Sie hätten nicht soviel saké auf den Suntory-Whisky trinken dürfen. Ich glaube kaum, daß japanischer Whisky für irgend etwas die richtige Grundlage bildet.«
»Da ist was dran. Ich hab mir ’nen ausgewachsenen futsukayoi angelacht
- einen ehrenvollen Katzenjammer. Sobald wir aus diesem lausigen Bums nach Hause kamen, hab ich alles wieder von mir gegeben. Aber Sie haben unrecht wegen des Suntory. Ist gar kein schlechtes Gesöff. Halten Sie sich an den billigsten, White Label. Der billige Whisky ist der beste. Vor einiger Zeit hab ich mal ’ne Brennerei
Weitere Kostenlose Bücher