Du lebst nur zweimal
Hinterwäldler, man hat unser Gespräch abgehört! Dieses Miststück Tanaka hat uns belauschen lassen! Hier - unterm Tisch! Sehen Sie den dünnen Draht am Tischbein? Und sehen Sie den Burschen da drüben an der Bar? Den einarmigen Kerl, der in dem blauen Anzug mit der schwarzen Krawatte so verdammt ordentlich aussieht? Das ist einer von Tigers Leuten. Die kann ich jetzt schon riechen! Seit zehn Jahren werde ich ständig von ihnen überwacht. Sie brauchen sich nur nach einem Japs umzusehen, der westliche Trinkgewohnheiten hat und so einen Anzug trägt. Alles Leute von Tiger.« Er knurrte: »Ich würde dem Kerl dort an der Bar verdammt gern meine Meinung sagen.«
»Wenn man unser Gespräch abgehört hat«, meinte Bond, »wird sich Mr. Tanaka morgen früh köstlich unterhalten.«
»Zum Teufel!« sagte Dikko Henderson resigniert. »Der alte Gauner weiß, was ich von ihm halte. Jetzt hat er’s endlich mal im Original. Vielleicht hört er dann auf, hinter mir herzuspionieren. Und hinter meinen Freunden«, fügte er hinzu und sah Bond an. »Natürlich sind Sie jetzt das bevorzugte Studienobjekt. Hallo, Tiger, hören Sie, was ich Ihnen zu sagen habe! Sie sind ein Zuhälter, ein Hurensohn, ein Gauner, Lügner und Verräter! Ich hoffe nur, daß Ihnen morgen beim Frühstück der gekochte Seetang im Hals steckenbleibt, wenn Sie hören, was ich von Ihnen halte!«
Bond lachte. Die endlose Litanei kraftvoller Flüche hatte bereits am Tag zuvor auf dem Flugplatz begonnen. Bond hatte fast eine Stunde gebraucht, um seinen einzigen Koffer durch den Zoll zu bekommen. Schweißgebadet war er endlich in der Haupthalle gelandet, wo er von einer erregten Horde junger Japaner hin und her gestoßen wurde, die Transparente mit der Aufschrift »Internationaler Wäscherei-Kongreß« trugen. Der Flug hatte Bond erschöpft. Er stieß einen wüsten Fluch aus.
Hinter ihm wiederholte eine laute Stimme den Fluch und fügte noch einige Schimpfwörter hinzu. »Das ist mein Mann! Die richtige Art, den Osten zu begrüßen! Sie werden alle diese netten Worte und noch ’n paar dazu brauchen, bis Sie hier fertig sind!«
Bond hatte sich umgedreht. Der riesige Mann in dem zerknitterten grauen Anzug hielt ihm eine Hand entgegen, die die Größe einer mittleren Bratpfanne hatte. »Freut mich, Sie kennenzulernen. Ich bin Henderson. Da Sie der einzige Tommy in der Maschine waren, nehme ich an, daß Sie Bond sind. Geben Sie mir den Koffer. Mein Wagen steht draußen.«
Henderson sah wie ein Preisboxer aus, der sich zurückgezogen und dem Alkohol ergeben hatte. Der dünne Anzug bauschte sich über den muskulösen Armen und mächtigen Schultern, konnte aber auch den Fettansatz an den Hüften nicht verbergen. Er hatte ein unregelmäßiges sympathisches Gesicht, harte blaue Augen und eine zerschlagene Nase. Er schwitzte stark, und während er sich einen Weg durch die Menge bahnte, wobei er Bonds Koffer als Rammbock benutzte, zog er ein zerknülltes kariertes Taschentuch aus der Hosentasche und wischte sich damit Gesicht und Nacken ab. Die Menge machte dem Riesen willig Platz, und Bond folgte ihm zu einer schicken Limousine. Der Chauffeur stieg aus und verbeugte sich. Henderson feuerte in fließendem Japanisch einige Befehle ab und setzte sich dann zu Bond auf den Rücksitz. »Ich bringe Sie zuerst in Ihr Hotel - ins Okura. Es ist das modernste, das wir hier haben. Im Royal Oriental ist neulich ein amerikanischer Tourist umgebracht worden, aber wir wollen Sie ja nicht so schnell verlieren. Dann genehmigen wir uns ’n paar ordentliche scharfe Schnäpse. Schon was gegessen?«
»Sechsmal, wenn ich mich recht erinnere. Die Japan Air Lines ist sehr besorgt um die Mägen ihrer Gäste.«
Bond deutete auf das unübersichtliche Gewirr der Vororte von Tokio, durch die sie mit einer geradezu selbstmörderischen Geschwindigkeit rasten. »Scheint nicht gerade die attraktivste Stadt der Welt zu sein. Warum fahren wir eigentlich links?«
»Weiß der Himmel«, sagte Henderson düster. »Die verdammten Japse machen überhaupt alles verkehrt rum. Die Lichtschalter muß man nach oben knipsen. Die Wasserhähne gehen nach rechts auf. Sie bringen’s sogar fertig, beim Rennen die Pferde in Uhrzeigerrichtung laufen zu lassen, statt andersrum, wie es bei zivilisierten Menschen üblich ist. Tokio selbst ist schauderhaft. Entweder ist es zu heiß oder zu kalt, oder es regnet in Strömen. Außerdem gibt’s fast jeden Tag ’n Erdbeben. Aber lassen Sie sich davon nicht stören. Die
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