Du lebst nur zweimal
besucht und mit einem der Brüder gesprochen. Hat mir was Interessantes über Whisky erzählt. Er hat behauptet, daß man guten Whisky nur dort zustande bringt, wo man gute Fotos machen kann. Schon mal so was gehört? Hat irgendwas mit der Wirkung des Lichts auf den Alkohol zu tun. Hab ich eigentlich gestern nacht soviel Blödsinn geredet? Oder waren Sie das? Einer von uns war’s jedenfalls, soweit ich mich erinnere.«
»Sie sind mordsmäßig über den Zustand der Welt hergezogen und haben mich einen Schwächling genannt. Aber Sie haben’s ganz freundschaftlich gemeint. Ich habe es nicht ernst genommen.«
»Himmel noch mal!« Dikko Henderson fuhr sich mit den Fingern verdrießlich durch das dicke graue Haar. »Aber ich hab doch niemand verdroschen?«
»Nur das Mädchen, dem Sie so fest aufs Hinterteil klopften, daß es hinfiel.«
»Ach das!« meinte Dikko erleichtert. »Das war ein liebevoller Klaps. Wozu sind die Hintern der Mädchen denn sonst da? Soweit ich mich erinnern kann, haben sie alle vor Lachen geschrien. Die Kleine auch. Stimmt’s? Wie sind Sie übrigens
mit Ihrer zurechtgekommen? Sie hat ganz begeistert ausgesehen.«
»Das war sie auch.«
Dikko kippte den Rest seines Brandys hinunter und stand auf. »Kommen Sie, Genosse. Gehn wir. Es ist nicht ratsam, Tiger warten zu lassen. Einmal hab ich’s gemacht, und er hat ’ne ganze Woche lang kein Wort mit mir gesprochen.«
Es war ein typischer Spätsommertag in Tokio - heiß, stickig, verhangen; die Luft war mit feinem Staub von der endlosen Abbruch- und Wiederaufbauarbeit gesättigt. Sie fuhren eine halbe Stunde in Richtung Yokohama und bogen dann in die Auffahrt zu einem düsteren grauen Gebäude ein, dem, wie die großen Blockbuchstaben verkündeten, »Büro für asiatische Volksbräuche«. Zahlreiche Japaner hasteten durch das imposante Portal hinein und heraus, aber niemand kümmerte sich um Dikko und Bond - und niemand fragte sie nach ihren Anliegen, als beide die Eingangshalle durchquerten, in der Bücher und Postkarten zum Verkauf angeboten wurden, wie in einem Museum. Dikko ging auf eine Tür mit der Aufschrift »Koordinationsabteilung« zu, hinter der ein langer Gang mit offenen Räumen zu beiden Seiten lag. In den Räumen saßen gelehrt aussehende junge Männer an Schreibtischen. Ihnen gegenüber hingen große, mit farbigen Stecknadeln gespickte Landkarten, Bücherregale bedeckten die Wände bis zur Decke. Eine Tür, auf der »Internationale Beziehungen« stand, führte in einen weiteren Gang, in dem die Türen zu beiden Seiten aber geschlossen waren und Schildchen mit den Namen der Angestellten in englischer und japanischer Sprache trugen. Eine scharfe Biegung nach rechts - und sie kamen durch das »Büro für Anschauungsmaterial« mit weiteren geschlossenen Türen.
Schließlich folgte die »Dokumentation«, eine riesige Bibliothek, in der wieder Leute über Schreibtische gebeugt arbeiteten. Hier wurden sie zum erstenmal von einem Mann scharf gemustert, der hinter einem Tisch am Eingang saß. Er stand auf und verbeugte sich wortlos. Im Weitergehen sagte Dikko: »Hier hört die Tarnung auf. Alle Leute, die wir bisher gesehen haben, befassen sich wirklich mit asiatischen Volksbräuchen. Aber die Kerle hier drinnen gehören zu Tigers Außenstab und beschäftigen sich mehr oder weniger mit Geheimsachen. So ’ne Art Archivare. An dieser Schwelle hätte man uns freundlich zurückgeschickt, wenn wir uns zufällig hierher verirrt hätten.« Hinter den letzten Bücherregalen öffnete sich ein Gang mit einer kleinen Tür. Sie trug die Aufschrift »Vorgesehene Erweiterung der Dokumentationsabteilung. Vorsicht! Bauarbeiten!« Hinter der Tür hörte man Preßlufthämmer, eine Kreissäge, die Holz schnitt, und andere Baugeräusche. Dikko ging durch die Tür in einen völlig leeren Raum mit poliertem Holzboden. Von Bauarbeiten war nichts zu sehen. Er deutete auf einen großen Metallkasten, der an der Innenseite der Tür befestigt war. »Tonbandgerät«, erklärte er. »Gerissener Trick. Hört sich ganz echt an. Und das da« - er wies auf den blanken Boden vor ihnen - »ist etwas, das die Japaner >Nachtigallboden< nennen, ’n Überbleibsel aus früheren Zeiten, als die Leute fremden Besuchern meistens nicht trauen konnten. Besser als eine Alarmglocke. Versuchen Sie mal drüberzugehen, ohne gehört zu werden.« Sie marschierten los, und sofort begannen die heimtückischerweise mit Federn versehenen Dielen durchdringend zu quietschen und zu knarren. In
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