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Du lebst, solange ich es will

Du lebst, solange ich es will

Titel: Du lebst, solange ich es will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Henry
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Alles hat seinen Platz, nichts liegt herum - kein Bonbonpapier, keine Zeitung, keine Post, keine leeren Gläser, keine Zeitschriften, keine Schuhe. Es sieht so aus, wie ich es mir in einem extrem teuren Hotel vorstellen würde.
    »Ich würde dir ja gerne was zum Knabbern anbieten«, sagt Gaby. »Aber wenn du nicht gerade auf Baby-Karotten stehst, sieht es schlecht aus. Meinen Eltern kommt Junk Food nicht ins Haus.«
    In dem Moment tritt ein Mann in einem dunkelblauen OP-Kittel aus einem Flur, der zum Wohnzimmer führt. Er hat den Blick auf einen BlackBerry gesenkt und redet, während er tippt. »Wir wollen nur, dass du gesund bleibst, Gaby.« Dann schaut er auf, sieht mich und bleibt stehen.
    »Dad, das ist mein Arbeitskollege Drew.«
    Ich gehe auf ihn zu und gebe ihm die Hand. Es ist dieselbe Mischung aus weich und fest, allerdings ist sein Handschlag noch etwas fester, als wollte er mich daran erinnern, dass es seine Tochter ist, mit der ich gerade zusammen bin. »Hallo, Dr. Klug.« Er ist knapp ein Meter achtzig groß und nicht so schlank, wie man bei seiner Haltung gegenüber Junk Food annehmen könnte. Er sagt einfach auch Hallo. Nicht »Nenn mich Steve.«
    »Wir gehen hoch in mein Zimmer«, sagt Gaby. Jetzt erwähnt sie die Schule noch nicht einmal.
    Er wirkt, als wollte er etwas erwidern, tut es aber nicht. Stattdessen nickt er nur. Ich folge Gaby die Treppe hoch, vorbei an einer Reihe Familienfotos, wie ich annehme. Auf dem ersten sieben Gaby und ihre Eltern vor dem Haus. Zumindest gehe ich davon aus, dass es Gaby ist. Sie ist ungefähr sechs und die Familie sieht aus, als wollte sie in die Kirche gehen. Darüber hängt ein Foto von ihren Eltern, allerdings sind sie darauf noch viel jünger. Je weiter man die Treppe hochsteigt, desto älter wirken die Fotos. Am Anfang sind es noch Farbfotos, dann werden sie schwarz weiß. Gegen Ende sehen sie aus wie Daguerreotypie, oder wie auch immer man Fotos vor 150 Jahren nannte. Eins ist steifer und förmlicher als das andere. Auf dem letzten Porträt starrte eine Familie in die Kamera. Die Männer tragen alle seltsam weiße hohe Kragen mit einer Art Fliege. Die Frauen sind in lange bauschige Kleider gehüllt. Eine von ihnen hält wiederum das Porträt eines kleinen Jungen auf dem Schoß.
    »Das ist meine Ururgroßmutter«, sagt Gaby, als sie meinen Blick bemerkt. »Das Bild ist von ihrem Sohn. Er ist zwei Jahre zuvor gestorben, aber sie wollte, dass man ihn nicht vergisst.«
    Ich folge ihr den Gang entlang. Gabys Zimmer ist das einzige im Haus, das so aussieht, als würde auch jemand darin wohnen. Das Bett ist nicht gemacht. Daneben liegt ein aufgeschlagenes Taschenbuch auf dem Boden. An einer Wand hängt eine riesengroße Leinwand, auf der unzählige Überschriften und Bilder aus Zeitschriften kleben. Auf den ersten Blick lese ich »Fieber«, »Underground Girl«, »Es ist pures Adrenalin« und »Euch würde wahrscheinlich der Kopf platzen«. Man sieht Mädchen in schrägen Klamotten, Bilder aus einem Wonder-Woman-Comic, ein Zeitungsausschnitt von einem Mann mit einem Messer in der Hand und etliche Augen, Augen ohne Gesichter. Es ist alles irgendwie verwirrend.
    Es gefällt mir.
    An einer anderen Wand hängt ein Poster der Band Flea Mar ket Parade, was mich überrascht. Ich mag ihre Musik, aber sie ist finster. Lieder über Sehnsucht, Selbstmord und Erinnerungen, die man nicht löschen kann. Ich tippe auf das Gesicht des Sängers. Er hat Hosenträger an und seine Augenringe sind so dunkel, dass sie fast geschminkt wirken. »Ich mag ihre Musik, aber die meisten Leute haben noch nie von ihnen gehört«, sage ich.
    »Ich bin mir ziemlich sicher, dass keiner von uns beiden zu >den meisten Leuten< gehört«, sagt sie.
    Ich drehe den Stuhl vor ihrem Schreibtisch um und setze mich. Gaby schließt die Tür. Sie breitet eine Decke über dem Bett aus, bevor sie sich setzt.
    »Jetzt machen wir also was für die Schule?« Ich ziehe eine Augenbraue hoch. Irgendwie bin ich entspannter, seit wir in Gabys Zimmer sind. Der Rest des Hauses ist wie ein Panzer oder wie eine Rüstung. Gabys Zimmer fühlt sich angenehmer an. Vielleicht wird es durch die Rüstung geschützt.
    »Ich wollte nur noch mal mit dir über Kayla reden. Meine Eltern wollen nicht, dass ich darüber spreche. Es ist jetzt schon fast eine Woche her. Sie sind sich sicher, dass es keine Hoffnung mehr gibt. Dass Kayla«, Gaby zögert, »tot ist.«
    »Aber du hast gesagt, du kannst sie spüren. Dass du weißt, dass sie noch

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