Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen
entscheiden, sich unabhängig machen und für das eigene Wohlbefinden sorgen zu können. Denn das gibt ihm ein tiefes Empfinden von Zufriedenheit, Zuversicht
und Sicherheit. Durch sinnvolle Aufgaben, die ihn erfüllen und die er für sich erfolgreich abschließt, lernt der Mensch, an sich zu glauben. So kann er zu seiner inneren Berufung und damit zum Sinn und zur Erfüllung seines Daseins finden.
Eine sinnvolle Aufgabe ist eine Arbeit, zu der sich der Mensch von sich aus hingezogen fühlt und die er selbstständig bewältigen darf. Die erfolgreich erledigten Lernschritte aktivieren im Gehirn das Belohnungssystem. Die dabei ausgeschütteten körpereigenen Botenstoffe sorgen umgehend für Wohlgefühle: Dopamin und Noradrenalin regen die Kreativität, die Denkleistung und das Glücksempfinden an. Begeisterung ist also Doping für die menschliche Aktivität. Sie löst im Menschen die Entdeckerfreude aus – und die ist ein wesentlicher Motor, um Lernerfahrungen machen zu wollen und damit einhergehend die Lebenszusammenhänge verstehen zu können. Dieses selbst erarbeitete Wissen charakterisiert menschliche Reifung. Während dieses Prozesses sind die positiven Emotionen dafür zuständig, dass sich der Mensch nachhaltig entfalten kann.
Negative Gefühle dagegen hemmen Lernerfahrungen, denn sie schütten im Gehirn Botenstoffe aus, die zur Flucht anregen. Lernen unter Angst bewirkt, dass sich durch Ausschüttung von Adrenalin und Cortisol der Mensch während des gesamten Lernprozesses ständig in Alarmbereitschaft befindet. Seine Gedanken sind dann nur »aufs Überleben« ausgerichtet. Wer unter Stress lernt, speichert vor allem die schlechten Dinge im Unterbewusstsein ab. So kommt es, dass man sogar als Erwachsener beim bloßen Gedanken an Prüfungssituationen als Erstes an die damit einhergehenden Beklemmungen denkt.
Was löst Stress ganz konkret beim Schüler aus? Der Rotstift, Klassenarbeiten, Bloßstellungen, Noten und Kritik – all das ist ein bloßes Herumreiten auf den Schwächen der Schüler
und hemmt sie in ihrer persönlichen Entfaltung. Seit Urzeiten existieren die Vorurteile, dass Schüler faul seien, ständig schummeln würden, zum Lernen angehalten werden müssten und aufgrund ihres Entwicklungsstandes gar nicht selbst entscheiden könnten. Das verhindert jegliche Gestaltungslust. So wird einem entdeckungsfreudigem Kind mit jedem Jahr auf der Schulbank die Begeisterung weiter ausgetrieben und der Geist auf Mittelmaß zurechtgestutzt, weil Pädagogen ständig zu wissen glauben, was gut für den heranwachsenden Menschen ist. So sehr dieser sich auch anstrengt, immer wird etwas bemängelt. Bei ihm bleibt irgendwann haften: »Ich bin nicht ok.« Und das ist nicht gerade förderlich, um Selbstvertrauen und eine positive emotionale Grundhaltung dem Lernen gegenüber aufzubauen. Kein Wunder, dass Menschen risikoscheu werden. Verletzungen werden nie mehr vergessen! Deshalb muss jeder wissen, der andere kritisiert, dass er Grenzen überschreitet und seinem Gegenüber Schaden zufügt. Folglich gibt es nicht ein einziges Argument, mit dem sich solch ein Verhalten legitimieren ließe, auch nicht für Lehrer. Ich bin immer wieder erschüttert, wie weit verbreitet ein negatives Schülerbild in Lehrerköpfen ist.
Damit Schüler überhaupt ihre Stärken ausspielen können, braucht es Pädagogen, die in erster Linie selbst über eine positive Einstellung verfügen. Schüler brauchen Lehrer, die mit zutrauendem Weitblick nach vorn schauen, sie konsequent an die Hand nehmen und große Ziele durch das Aufzeigen erreichbarer Zwischenschritte realisierbar machen. Positive Bekräftigungen achten die Erfolge, lassen dem Gegenüber noch eine Entscheidungsfreiheit und vermitteln den höchsten Anerkennungsgrad: »Ich glaube an dich!« Negative Bestätigungen ziehen herunter, zielen nur auf die Misserfolge ab und verhindern, dass der Schüler besser wird. Wer wollte denn schon sein Verhalten ändern, wenn man ihm ständig Vorhaltungen
macht? Vorwürfen entzieht sich der Mensch, doch der Anerkennung wendet er sich zu. Das wirkungsvollste Lob jedoch ist die Bestätigung, die sich der Mensch selbst zubilligen kann: Wer sich von der Bewertung und Einschätzung anderer lösen und aus der eigenen inneren Befriedigung schöpfen kann, ist wahrhaft frei. Genau diesen Aspekt verfolgt das Konzept der Montessoripädagogik. Das Lernmaterial ist so angelegt, dass es den Schüler befähigt, selbst erkennen zu können, ob er die Aufgabe richtig
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