Du Mich Auch
…«
»Chicken check«, ergänzte Beatrice. »So um neun. Abends natürlich.«
»Dann treffen wir uns um acht zur Generalprobe«, beschloss Evi. »Wo, sagtest du noch, hast du die Wäsche gekauft?«
Punkt acht Uhr am Sonntagabend stand Evi vor einem neu erbauten Appartementhaus in Mitte, nahe dem Gendarmenmarkt. Die Fensterreihen zwischen den wuchtigen Steinquadern waren dunkel, nur ganz oben im Penthouse brannte Licht. Sie legte einen zitternden Finger auf die Klingel nebendem Türschild, das in geschwungenen Lettern den Namen »Kramer« trug.
Von irgendwoher summte es. Evi drückte die Tür auf. Sofort flammten taghelle Halogenstrahler auf und warfen Reflexe auf den polierten Marmorboden. Im Fahrstuhl zählte Evi nervös die Messingknöpfe. Es war wirklich Wahnsinn, was sie vorhatten. Drei emotional verschattete Frauen auf dem Weg in die männliche Spaßzone. Das verrückteste Abenteuer in der Geschichte des horizontalen Gewerbes.
Der Fahrstuhl hielt mit einem sanften Glockenton im siebten Stock. Beatrices Mann war verreist. So würden sie unter sich sein, wenn sie wie in alten Tagen ihre private Straps-Modenshow veranstalteten. Evi stöckelte eilig auf eine geöffnete Tür zu, hinter der sie schon das Kichern von Beatrice und Katharina hörte. Rasch trat sie ein und zog die Tür hinter sich zu. Dann blieb sie wie angewurzelt stehen.
»Na, wie viel würde mein Mann für eine Nacht mit mir wohl rausrücken?«, fragte Beatrice.
Evi fand keine Worte. Vor ihr stand eine Frau mit roten Haaren, die ein Mieder aus ölig glänzendem Latex trug. Es verdeckte kaum die Brüste. An den Strapsen waren schwarze Netzstrümpfe befestigt. Beatrice hatte ihre Augen mit dramatischen Kajalstrichen umrandet und den Mund feuerrot geschminkt. Sie sah aus wie die Sünde höchstpersönlich.
»Was – w-was hast du mit deinem Haar g-gemacht?«, stotterte Evi.
Mit einem beherzten Griff zog Beatrice an einer Strähne und hatte im nächsten Moment eine Perücke in der Hand.
»Verschärft, oder? Rot ist ja im Grunde meine Naturfarbe«, sagte sie bestens gelaunt. Sie zeigte auf ihre Highheels. »Die Verkäuferin nannte sie: ›those little fuck-me-shoes‹.«
Jetzt kam Katharina angestakst. Ihre dürre Figur steckte in einem pinkfarbenen Etwas, das mit schwarzer Spitze verziert war. Rosa Lackstiefel reichten fast bis zum Po und ließen nur eine Handbreit ihrer schmalen Schenkel frei. Sie trug eine blonde Langhaarperücke und war, wie Beatrice, so stark geschminkt, als wollte sie eine schwarze Messe zelebrieren.
»Nun guck nicht so verstrahlt«, lachte Beatrice. »Für dich habe ich auch eine saunataugliche Frisur. Ein Alptraum in Dunkelbraun!«
Sie lief zum Sofa, das über und über mit Wäsche bedeckt war, und kramte etwas hervor, was Evi an den neuen Hund erinnerte. Dann setzte sie das Ding Evi auf den Kopf.
»Wow, geplatztes Sofakissen mit erhöhtem Schlampenfaktor«, sagte Beatrice anerkennend.
Sie zog Katharina und Evi ins Badezimmer. Atemlos betrachteten sie sich in einem Spiegel, der bis zum Boden reichte.
»Wenn dieses Trio nicht fatal ist …«, murmelte Katharina. »Ich würde sagen: Rocky Horror Picture Show reloaded. Und so was finden Männer sexy?«
»Scheint so«, antwortete Beatrice, die sich ihre Perücke wieder aufgesetzt hatte. »Die Läden sind voll von dem Kram. Fragt sich nur, was Evi unter ihrem Mantel trägt.«
Doch Evi dachte nur noch an Flucht. Kreidebleich starrte sie in den Spiegel. Sie fühlte sich scheußlich. Nichts war mehr übrig von ihrer Abenteuerlust. Diese aufgedonnerten Frauen in den besten Jahren waren der schlechteste Scherz seit der Erfindung des Karnevals.
»Ich muss mich mal setzen«, ächzte sie.
Beatrice hakte sie unter und führte sie ins Wohnzimmer.Jetzt erst sah Evi, wo sie eigentlich gelandet war. Der Raum war riesig groß. Eine Seite bestand nur aus Glastüren, die auf eine Dachterrasse führten. Gegenüber stand die Couch, die als Wäschelager diente. An der Stirnwand blitzte eine Hochglanzküche in Weinrot, mit einem Tresen und verchromten Barhockern davor. Alles war überirdisch elegant. Und sah ein bisschen aus wie eine dreidimensionale Designerzeitschrift.
»Welcome in meinem bescheidenen kleinen Loft«, sagte Beatrice mit einigem Stolz.
Sie zeigte auf eine cremefarbene Lederliege. Als Evi es sich darauf bequem gemacht hatte, was nicht so einfach war bei diesem Designerteil, reichte Beatrice ihr ein Glas.
»Kannst immer noch abspringen, Evi Forever«, sagte sie
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