Du Mich Auch
Lebens. Evi hatte es auf stattliche zehn Flaschen Champagner bei den Kunden gebracht, Katharina immerhin auf vier. In ihren Handtaschen lag säuberlich abgezählt ihr Anteil am Umsatz.
»Dein Hans-Hermann ist echt fotogen«, machte sich Katharina lustig. »Um die Fotos werden sich noch deine Enkel reißen. Bist du zufrieden?«
»Die Antwort wird dir nicht gefallen«, erwiderte Beatrice düster. »Ich habe mein Handy zu Hause vergessen.«
Evi riss sich die Perücke vom Kopf und fuhr sich durch ihr schweißverklebtes Haar. »Sag, dass das nicht wahr ist!«
»Hallo? Geht’s noch?« Katharina kniff Beatrice vor Aufregung in den Arm.
»Au!«, schrie Beatrice. »Ja, ich weiß, ich bin so was von stupid. Doch ich konnte ja nicht ahnen, dass Hans-Hermann gleich heute aufschlagen würde. Mir hat der Mistkerl was von einer Dienstreise nach Brüssel erzählt.«
Katharina war außer sich. »Dienstreise!«
»Ich könnte mich ohrfeigen«, sagte Beatrice wütend. »Zuerst dachte ich ja, dass er mich sofort erkennt. Doch weit gefehlt. Hattet ihr übrigens …«
»Körperkontakt?«, vollendete Katharina die Frage. »Nö. Bei mir haben die Typen vorher abgedreht. Ich habe so lange über meine Fußpilzattacken gesprochen, bis sie final angeödet waren.«
»Hans-Hermann ist richtig süchtig nach dem Laden«, erzählte Evi. »Er kommt nächsten Samstag wieder her, hat er gesagt.«
»Dann geht der ganze Schlamassel also wieder von vorn los«, stellte Katharina fest. »Na, immerhin ist es lukrativ. Zwanzig Mäuse, steuerfrei! Die sollten wir sofort verprassen.«
»Und wohin sollen wir gehen, so wie wir aussehen?«, fragte Beatrice entnervt. »Stehparty in Rudis Resterampe? Ball der verlorenen Herzen? Bahnhofsmission?«
»Da kommt das Taxi!«, rief Evi und sprang zum Bordstein, um den Fahrer heranzuwinken.
Alle hatten sie das Gefühl, als hätten sie mindestens zwei Tage im Club Désirée zugebracht. Erschöpft ließen sie sich auf den Rücksitz fallen.
»Junger Mann, haben Sie einen Tipp, wo wir noch ’ne Tasse Schnaps bekommen?«, fragte Beatrice den Taxifahrer.
Der zuckte mit den Schultern. »Café Absturz vielleicht«, sagte er. »Da fallen Sie nicht weiter auf.«
Es wurde still. Wie erstarrt saßen die drei Freundinnen da und brachten kein Wort heraus.
»Also, soll ich Sie nun dahinfahren oder nicht?«
Wieder kam keine Reaktion. Nun drehte sich der Fahrer um und musterte das stumme Trio. Seine halblangen dunklen Haare reichten bis zur Schulter. Er hatte braune Augen und schmale Hände.
»Schlosshotel Seeblick«, sagte Beatrice.
»Präsidentensuite«, flüsterte Katharina.
»Petersburger Schlittenfahrt«, stöhnte Evi.
Kapitel 8
»Zufälle gibt’s nicht«, orakelte Beatrice, während sie in einem großen Glas Latte macchiato rührte.
»Es war eine Fügung«, bestätigte Evi.
Katharina trank einen Schluck Tee. »Der genialste Schachzug des Universums seit dem Urknall.«
Sie hockten mit Robert an einem kleinen Tisch im Café Absturz und konnten es noch immer nicht fassen. Da hatten sie vergeblich nach ihm gesucht, und nun war er einfach wieder in ihr Leben geschneit.
Das Lokal war eng und völlig überfüllt. Sogar zwischen den Tischen drängten sich stehend Gäste und unterhielten sich lautstark. Es waren ausnahmslos Männer. Manche trugen Lederklamotten, andere Frauenkleider, auch ein paar Anzugträger waren dabei. Schwaden schweren, süßen Parfums hingen in der Luft. Robert hatte recht gehabt: Hier fiel selbst das Trio fatal nicht auf, trotz des exzentrischen Stylings.
»Tut mir leid, dass ich euch nicht gleich erkannt habe«, entschuldigte sich Robert. »Was habt ihr eigentlich in diesem komischen Saunaclub angestellt? Eine Halloweenparty?«
»Falls du denkst, dass wir Kollegen sind, vergiss es«, antwortete Katharina hoheitsvoll.
»Kollegen?« Robert runzelte die Stirn. »Ach das. Tja, ich bin ausgestiegen. Taxifahren bringt zwar längst nicht so viel, aber der Callboyjob ist nichts für mich.«
»Sorry, Sweetheart, da hatte ich aber einen ganz anderen Eindruck«, kicherte Beatrice. »Du bist wie geschaffen dafür! Der geborene Womanizer!«
Robert betrachtete die aufsteigenden Bläschen in seinem Mineralwasser. »Ihr seid ja auch – wundervoll. Aber wenn ihr es ganz genau wissen wollt: Ihr wart meine allerersten Kundinnen.«
Evi lächelte beglückt. »Das heißt, du hast vorher noch nie …? Ich meine, für Geld …?«
»War nur ein Versuchsballon. Ich habe Schulden. Mein Kumpel André
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