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Du musst die Wahrheit sagen

Titel: Du musst die Wahrheit sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mats Wahl
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nach, bevor er weiterfragte.
    »Und dein Bruder?«
    »Sie sind beide meine Halbgeschwister. Keiner von uns hat denselben Vater.«
    »Und wie heißt dein Bruder?«
    »Morgan.«
    »Was macht er?«
    »Er geht auch aufs Gymnasium. Kommt in eine Fußballklasse, genau wie in Sundsvall.«
    »Wirklich? Gibt’s so was? Was machen die da?« Seine Stimme klang überrascht.
    »Alles, was man auf einem normalen Gymnasium macht. Außerdem spielen sie ein bisschen Fußball. Nur ein bisschen, damit sie sich ruhig verhalten.«
    Der Alte hatte die Augen geöffnet.
    »Damit sie sich ruhig verhalten? Wie alt ist er denn?«
    »Siebzehn.«
    Berger nickte.
    »Ich war nicht viel älter, als ich zur Luftwaffe ging. Und du, was machst du?«
    »Komme in die Achte.«
    Er nahm seinen Stock zwischen die Beine und stützte das Kinn auf die Hände, die er über der Krücke gefaltet hatte. Seine Augen hinter den großen Brillengläsern blinzelten.
    »Ich habe deine Großmutter gekannt. Harry habe ich auch gekannt. Wir haben viel zusammen gemacht. So ein gutes Einvernehmen zwischen Nachbarn findet man selten.«
    Er schloss die Augen wieder und sprach wie mit sich selber.
    »Der Verbindungspfad zwischen den Grundstücken ist längst überwachsen. Heute weiß ich nicht einmal mehr genau, wo er verlief.«
    Er schwieg eine Weile, ehe er fortfuhr.
    »Damals gab es noch Krebse im See. Man leuchtete mit der Taschenlampe und setzte die Käfige ins Wasser. Irgendwann habe ich die Krebskäfige weggeworfen, ich weiß nicht, wann. An manches kann man sich einfach nicht mehr erinnern, selbst wenn es darum ginge, sein Leben zu retten.«
    Er sprach lauter.
    »Hast du besondere Interessen?«
    »Ich weiß nicht, vielleicht.«
    »Du hast doch bestimmt noch andere Interessen außer Fußballspielen. Spielst du Fußball mit deinem Bruder?«
    »Früher in Sundsvall bin ich geschwommen.«
    »Dann hast du jetzt ja einen eigenen See, in dem du trainierenkannst. Wenn du dich anstrengst, kannst du ein neuer Johnny Weissmüller werden.«
    »Wer ist das?«
    Berger sah aus, als hielte er es nicht für nötig, auf meine Frage zu antworten. Er räusperte sich.
    »Aha, du beschäftigst dich also mit Gartenpflege und dem Schwimmen. Da kann man mal sehen. Meinst du, deine Mutter würde mir morgen die Haare schneiden?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Er strich sich über die Stirn.
    »Du kannst sie ja heute Abend fragen.«
    »Mach ich.«
    Und dann stand ich auf.
    »Ich muss jetzt nach Hause.«
    »Geh nur. Und finde heraus, wer Johnny Weissmüller war. Du hast doch bestimmt einen Computer, der schafft das im Handumdrehen, nicht wahr? Weissmüller. Einer von den Ersten, die richtig schnell geschwommen sind.«
    »Soll ich die Dose wieder in den Keller bringen?«
    »Wirf sie in den Abfalleimer.«
    Ich holte die Dose mit den Schusslöchern, trug sie zu den Mülleimern und ließ sie in einen fast leeren Sack fallen.
    Als ich nach Hause kam, war Annie dabei, nach unten zu ziehen, um in Mamas Zimmer zu schlafen. Morgan hatte seine Matratze im Wohnzimmer ausgerollt. Mama schlug vor, dass ich auch nach unten ziehen sollte. Aber ich sagte, ich hätte keine Angst vor Kreuzottern und dass die Schlange vermutlich versuchen würde, so schnell wie möglich nach draußen zu gelangen. Mama wollte trotzdem, dass ich nach unten zog, aber ich weigerte mich.

    10

    Samstag schlief ich lange, und als ich aufwachte, war es sehr warm in meinem Zimmer, obwohl das Fenster offen stand. Mein Gesicht war von Mücken zerstochen, ich musste mir wohl ein Mückennetz für das Fenster anschaffen.
    Ich ging nach unten. Es war still im Haus. Außer mir und der Katze schienen schon alle gegangen zu sein. Die Tür zur Veranda stand offen, in der Küche war es kühl, und die Graugestreifte lag fast regungslos auf dem blauen Handtuch und keuchte. Ihre Pfote war unverändert geschwollen.
    Nach einer Schale Joghurt mit Cornflakes ging ich zum Steg, löste das Boot und ruderte mitten auf den See hinaus. Hier regte sich kein Windhauch. Vom anderen Ufer hörte ich Kinder schreien, die auf einem Badeponton tobten.
    Ich schwamm eine Weile, dann zog ich mich ins Boot und ruderte wieder an Land. Ich ging ins Haus und kochte Tee und toastete mir sechs Scheiben Brot, die ich mit dicken Scheiben Käse belegte. Ich aß alles zusammen mit Apfelschnitzen.
    Danach zog ich mich an und stieg auf mein Fahrrad. Als ich an dem Sumpfgebiet vorbeikam, in dem ich die Schlange freigelassen hatte, rief ich: »Nimm dich vor dem Mäusebussard in

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