Du musst die Wahrheit sagen
Katze, hob sie hoch und trug sie in die Küche.
4
Nachdem die Katze auf eine Decke vor der Tür zur Besenkammer gelegt worden war, holte Mama eine Gartenschere und begann, meine Stiefel aufzuschneiden. Sie war noch nicht fertig, da kam Morgan wieder in die Küche. Er machte ein schelmisches Gesicht, hob eine von Mamas Supermarkt-Tüten auf die Arbeitsplatte und begann, den Inhalt auszupacken. Sobald die Tüte leer war, verschwand er mit ihr in der Hand.
»Du hättest wenigstens die Milch in den Kühlschrank stellen können!«, rief Mama ihm nach, aber er kümmerte sich nicht um sie.
Der linke Stiefel war aufgeschnitten, und ich hatte ihn gerade ausgezogen, da klingelte Mamas Telefon.
Sie meldete sich mit »Eriksson«, wie sie das immer tut, und dann sagte sie »Nein!« und noch einmal »Nein«. Sie sah sehr froh aus und versuchte, meinen Blick einzufangen. Ich hatte inzwischen den zerschnittenen Stiefel in der Hand. Der andere saß noch am Fuß. Jetzt spürte ich die aufgescheuerte Stelle an meiner Ferse.
»Ich habe gerade ein großes Glas Wein getrunken«, sagteMama etwas zu laut. »Das geht also nicht. Morgen vielleicht, falls Sie dann geöffnet haben.«
Dann schwieg sie eine Weile und hörte zu, ehe sie fortfuhr:
»Kommen Sie, wann Sie wollen! … Tausend Dank! Wenn es Ihnen keine Mühe macht … Es ist ein rotes Haus neben einem gelben hinter einer hohen Hecke … Genau. Hohe Hecke … Bis nachher!«
Dann beendete sie das Gespräch, ergriff das Weinglas und leerte es in einem Zug.
»Du rätst nicht, wer das war!«, sagte sie. »Du rätst nicht, was er gesagt hat!«
»War es ein Er?«, fragte ich.
»Der Rotzbengel, der mein Portemonnaie geklaut hat, ist geschnappt worden. Es ist noch alles da, die Karten, das Geld, alles. Und er bringt es mir. Weil ich was getrunken habe. Er wohnt am anderen Seeufer und kommt auf dem Nachhauseweg vorbei.«
»Wer?«, fragte ich. »Wer kommt vorbei?«
»Dick Bengtsson.«
»Warum?«
»Weil ich etwas getrunken habe und nicht hinfahren kann, um mein Portemonnaie abzuholen. Er wohnt auf der anderen Seeseite.«
»Bengtsson?«, fragte ich.
»Der Polizist.«
Und dann lächelte sie.
»Er ist nicht verheiratet.«
»Woher weißt du das?«
»Er hat meine Anzeige entgegengenommen. Er trägt keinen Ring.«
»Aber vielleicht lebt er mit jemandem zusammen«, gab ich zu bedenken.
»Dick«, sagte Mama, als würde sie ein Kleid vor dem Spiegelanprobieren, »was ist das für ein Gefühl, Polizist zu sein, Dick? Fängst du die großen Schurken oder nur die kleinen Fische?«
Sie lachte. Sie ist hübsch, wenn sie lacht. Sie hat gleichmäßige Zähne, und es kommt vor, dass Leute glauben, sie und Annie seien Schwestern. Wenn das passiert, erzählt Mama es jedes Mal, als wäre es eine sensationelle Neuigkeit. Annie ist dann sauer, aber Mama jubelt.
»Dick Bengtsson«, sagte ich. »Darf man überhaupt so heißen?«
»Dick«, sagte Mama. »Ist doch ein hübscher Name. Ungewöhnlich.«
Dann nahm sie die Schere, ging wieder in die Knie, als wollte sie um meine Hand anhalten. Sie nahm meinen nackten Fuß in die Hand.
»Du Armer, hast du dir die Haut aufgeschürft«, sagte sie mitleidig.
»Schneide den anderen auch auf.«
»Das muss ja furchtbar wehtun!«
»Nun schneide schon!«
»Wir müssen die Stellen desinfizieren.«
»Schneide endlich, Mama!«
Sie ließ meinen wunden Fuß los, hob den mit dem Stiefel hoch und begann zu schneiden. Das Gummi war dick, und Mama hatte nicht viel Kraft in den Händen.
»Stell dir vor, dass die es schaffen, so einen Schlawiner zu fassen«, sagte sie und beugte sich über mein Bein, sodass ihre langen Haare auf meinen Oberschenkel fielen. »Vielleicht sind sie doch nicht so unfähig, wie man manchmal glaubt. Vielleicht ist die Polizei ja doch nützlich.«
»Dick«, sagte ich. »Weißt du, was das bedeutet?«
»Bedeutet?«
»Auf Englisch.«
»Es ist ein Name.«
»Ja, aber weißt du, was er bedeutet?«
»Nein«, schnaubte Mama. »Hat er eine besondere Bedeutung?«
»Jetzt sieh zu, dass du endlich fertig wirst«, sagte ich.
Sie ließ die Schere los und setzte sich auf den Fußboden, die Beine jeweils zu beiden Seiten meines Stuhles ausgestreckt. Dann packte sie den Stiefel mit beiden Händen und zog, während sie meinen Fuß gegen ihre Brust drückte.
»Was bedeutet es?«, stöhnte sie.
»Nun zieh schon«, sagte ich.
Sie zog, und plötzlich löste sich der Stiefel, und sie hielt ihn im Arm.
»Lass mal den Fuß sehen.« Sie war atemlos
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