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Du musst die Wahrheit sagen

Titel: Du musst die Wahrheit sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mats Wahl
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stand auf und verließ Annies Zimmer, das aussah, als wohnte sie dort schon ewig. Ihre Unterhose, die sie gestern getragen hatte, lag unter dem Schreibtisch. Neben dem Computer standen drei Fläschchen Nagellack, und alles war genauso angeordnet wie in ihrem Zimmer in unserer letzten Wohnung.
    Ich ging ein Stück zur Seite, damit ich Morgan nicht zu nah kam, als er die Tür zuknallte. Er stiefelte quer durch den Vorraum und öffnete seine Zimmertür.
    Jetzt bewegte er sich noch vorsichtiger. Wenn die Schlange nicht in meinem Zimmer, nicht im Vorraum und nicht in Annies Zimmer war, wo musste sie dann sein?
    In Morgans Zimmer! Eine andere Möglichkeit gab es nicht, falls sie sich nicht die Treppe hinuntergeschlängelt hatte oder ins Bad gekrochen war.
    Morgan schloss die Tür zur Abseite, legte sich auf den Bauch und suchte die Fußleisten ab. Die Umzugskartons hatte er noch nicht ausgepackt, sie standen aufeinandergestapelt da. Das Bett war ungemacht. Morgan schläft nicht, er kämpft die ganze Nacht mit dem Bettzeug.
    »Was suchst du?«, fragte ich sanft und mit einschmeichelnder Stimme.
    »Schnauze!«, brüllte Morgan.
    Er untersuchte den untersten Umzugskarton, um sich zu vergewissern, dass die Schlange nicht hineingekrochen war. Dann gab er auf.
    »Was suchst du denn?«, wiederholte ich mit meiner falschen, hilfsbereiten Stimme. Da kam er drohend auf mich zu, die Rattenpimmel hingen ihm fast auf die Wangen, und ich drehte mich um und lief leichtfüßig die Treppe hinunter.

    5

    Mama stellte gerade zwei Klappstühle unter der Eiche auf.
    »Hilf mir mal mit dem Tisch!«, rief sie, als sie mich entdeckte.
    Sie warf einen Blick auf meine nackten Füße.
    »Pass auf, dass du nicht auf die Schlange trittst.«
    Sie trug weiße Sneakers, schwarze Jeans und eine weiße Bluse mit Rüschen. Die Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz hochgebunden, und sie hatte sich geschminkt. Sie wartete auf Dick Bengtsson.
    »Hast du das Pflaster gefunden?«, fragte ich.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Hab ich wohl vergessen.«
    Sie runzelte die Stirn und reckte das Gesicht vor.
    »Hattest du wieder Nasenbluten?«
    Ich antwortete nicht.
    Wir gingen in den Keller, um den Tisch zu holen. Er stand zusammengeklappt in einer Ecke mit einigen Gartenstühlen vom selben Modell wie die beiden, die Mama schon nach oben gebracht hatte.
    An einem Nagel über dem Tisch hing ein Schlüssel mit einem Rettungsring, der etwas größer als eine Fünfkronenmünze war. Ich streckte die Hand danach aus, und sofort war mein Unterarm voller Spinnweben. Ich steckte den Schlüssel in die Tasche, und dann schleppten wir den Tisch und die Stühle in den Garten. Mama holte Wasser und Spülmittel und schrubbte die Gartenmöbel mit einer Tassenbürste ab. Ich ging wieder in den Keller und holte ein paar Hölzer, die wir unter die Tischbeine legen wollten, damit der Tisch nicht wackelte.
    Da kam Morgan.
    Er sah bedrückt aus. Er hatte Turnschuhe, blauweiße Socken, Jeans und ein Fußballtrikot angezogen, das war so verwaschen, dass man die Nummer auf dem Rücken nicht mehr lesen konnte.
    »Ich hab oben im Flur was gesehen«, sagte er. »Es könnte die Schlange sein.«
    Mama starrte ihn mit offenem Mund an.
    »Im Haus?«
    Morgan nickte.
    »Ich weiß nicht, vielleicht hab ich mich auch getäuscht, aber es könnte die Schlange gewesen sein.«
    »Du musst doch wissen, ob du eine Schlange gesehen hast«, sagte Mama.
    »Eine Kreuzotter kann nicht durch Jeansstoff beißen«, teilte Morgan uns mit. »Ich hab angerufen und mich informiert.«
    Mama sah ihn verblüfft an.
    »Dich informiert?«
    »Beim Terrarium in Skansen. Die haben gesagt, dass sie nicht durch Jeansstoff beißen kann. Jedenfalls ist nicht anzunehmen, dass sie es tut. Durch den Stoff beißen.«
    Mama schwante etwas, sie runzelte die Stirn. Morgan steckte einen Finger in den Mund und biss sich ein Stück Nagel ab. Das Knacken klang wie das Echo eines Schusses unter der Eiche.
    Mama sah verwirrt aus.
    »Aber wie ist die da raufgekommen? Schlangen können doch keine Treppen steigen?«
    »Wir rufen noch mal beim Naturpark an und fragen«, schlug ich vor. »Die wissen bestimmt, ob Schlangen Treppen steigen können. Vielleicht kriegen sie es hin, wenn es ein Geländer gibt?«
    »Wie hat die das bloß nach oben geschafft?«, sagte Mama.
    »Es gibt jedenfalls keinen Aufzug«, bemerkte ich.
    »Wir müssen das Haus durchsuchen, bevor wir schlafen gehen«, sagte Morgan. »Aber erst später. Ich muss jetzt zum

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