Du oder das ganze Leben
nicht mit den Jungs treffen, die du toll findest. Ich werde nicht immer das anziehen, was du für mich aussuchst. Und ich werde mich definitiv nicht immer so verhalten, wie du es gerne hättest. Auch Shelley wird deine Erwartungen nicht immer erfüllen.«
»Ich weiß.«
»Wirst du jemals damit leben können?«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Du bist viel zu kritisch. Mein Gott, ich gäbe alles darum, wenn du endlich aufhörtest, mir für alles, was falsch läuft, die Schuld zu geben. Liebe mich so, wie ich bin. Liebe Shelley so, wie sie ist. Hör auf, dich immer nur auf das Negative zu konzentrieren, dafür ist das Leben viel zu kurz.«
»Du willst, dass ich aufhöre, mir Sorgen zu machen, obwohl du gerade beschlossen hast, mit einem Gangmitglied zusammen zu sein?«, fragt sie.
»Nein. Ja. Ich weiß nicht. Wenn ich nicht das Gefühl hätte, dass du mich dafür verurteilst, würde ich dir viel mehr von ihm erzählen. Wenn du ihn nur kennenlernen könntest … Es steckt sooo viel mehr in ihm, als er die Menschen auf den ersten Blick sehen lässt. Aber wenn du mich dazu zwingst, mich aus dem Haus zu schleichen, um ihn zu treffen, dann werde ich das eben tun.«
»Er ist in einer Gang«, sagt meine Mom trocken.
»Sein Name ist Alex.«
Mein Dad setzt sich zurück aufs Sofa. »Seinen Namen zu kennen ändert nichts an der Tatsache, dass er in einer Gang ist, Brittany.«
»Nein, das tut es nicht. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Was ist euch lieber? Dass ich euch die Wahrheit sage oder dass ich euch belüge?«
Es dauert eine Stunde, bis meine Mom sich bereiterklärt, zu versuchen, nicht länger die überfürsorgliche Glucke zu geben. Und bis mein Dad zustimmt, zweimal die Woche vor sechs zu Hause zu sein.
Ich habe mich einverstanden erklärt, Alex zu uns einzuladen, damit sie ihn kennenlernen können. Und ihnen zu erzählen, wohin ich gehe und mit wem. Sie haben nicht versprochen, die Männer, die ich mir aussuche, zu mögen oder zu akzeptieren, aber es ist ein Anfang. Ich möchte versuchen, die Dinge in Ordnung zu bringen, denn es ist viel besser, die Scherben aufzuheben und zu kitten, als sie einfach liegen zu lassen.
54
Alex
Der Deal soll hier stattfinden, im Naturschutzgebiet von Busse Woods.
Der Parkplatz und das Gebüsch dahinter liegen im Dunkeln. Ein Hauch von Mondlicht weist mir den Weg. Der Platz ist vollkommen verlassen, bis auf einen blauen Sedan, dessen Lichter an sind. Ich laufe weiter in den Wald und entdecke die Umrisse einer dunklen Gestalt auf dem Boden.
Ich renne los, von Grauen gepackt. Als ich näher komme, erkenne ich meine Jacke. Es ist, als sähe ich meinen eigenen Tod vor mir.
Ich knie mich auf den Boden und drehe den Körper langsam um.
Paco.
»Scheiße, nein«, schreie ich, als ich fühle, wie sein warmes, feuchtes Blut meine Hände tränkt.
Pacos Augen sind verhangen, aber er bewegt langsam seine Hand und klammert sich an meinen Arm. »Ich hab’s versaut.«
Ich lege Pacos Kopf auf meinem Oberschenkel. »Ich hab dir doch gesagt, du sollst dich aus meinen Leben raushalten. Stirb mir jetzt bloß nicht, wage es ja nicht, mir jetzt wegzusterben«, würge ich hervor. »Heilige Scheiße, du blutest überall.«
Helles rotes Blut fließt aus seinem Mund.
»Ich habe Angst«, flüstert er und krümmt sich vor Schmerzen.
»Bleib bei mir. Halte durch und alles wird gut.« Ich drücke Paco fest an mich und weiß nur zu genau, dass ich ihn gerade belogen habe. Mein bester Freund liegt im Sterben. Daran ist nichts zu ändern. Ich spüre seine Schmerzen, als wären es meine eigenen.
»Sieh an, sieh an. Alex’ Double und sein Kumpel, der wahre Alex. Was für eine Halloweennacht, meint ihr nicht auch?«
Ich wende mich in die Richtung, aus der Hectors Stimme kommt.
»Zu schade, dass ich nicht realisiert habe, dass ich auf Paco schieße«, fährt er fort. »Dabei seht ihr zwei bei Tageslicht so unterschiedlich aus. Ich schätze, ich sollte mal zum Augenarzt gehen.« Er richtet eine Waffe auf mich.
Ich habe keine Angst. Ich bin stinkwütend. Und ich will endlich ein paar Antworten. »Warum hast du das getan?«
»Wenn du das wirklich wissen willst … dein Vater ist schuld. Er wollte aussteigen. Aber das ist unmöglich, Alex. Er war der Beste, den wir hatten, dein padre . Kurz bevor er starb, hat er versucht auszusteigen. Dieser letzte Drogendeal war seine Herausforderung, Alex. Ein Vater-Sohn-Drogendeal. Wenn ihr ihn beide überlebt hättet, wäre er frei gewesen.« Er
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