Du oder das ganze Leben
checken. Ich wünschte, er würde als Schiedsrichter fungieren, anstatt vom Spielfeldrand aus zuzugucken.
»Denn wenn du dich mit Abschaum wie diesem Jungen abgibst, werden die Leute dich ebenfalls für Abschaum halten. So haben dein Vater und ich dich nicht erzogen.«
Oh nein. Jetzt kommt die Standpauke. Ich würde lieber lebenden Fisch mit Schuppen und allem essen, als mir diese Lektion schon wieder anhören zu müssen. Ich weiß nur zu gut, was ihre Worte mir eigentlich zu verstehen geben sollen. Shelley ist nicht perfekt, also muss ich es sein.
Ich atme tief durch und versuche mich abzuregen. »Mom, schon verstanden. Es tut mir leid.«
»Ich versuche nur, dich zu beschützen«, sagt sie. »Und so dankst du es mir.«
»Ich weiß. Es tut mir leid. Was hat Dr. Meir zu Shelley gesagt?«
»Er möchte, dass sie zweimal die Woche für ein paar Untersuchungen zu ihm kommt. Ich werde deine Hilfe brauchen, um sie hinzubringen.«
Ich erzähle ihr nichts von Ms Smalls Prinzipien, was das Versäumen des Cheerleadingtrainings angeht, da es keinen Sinn hat, wenn wir beide gestresst sind. Außerdem möchte ich ebenso sehr wie sie wissen, warum Shelley in manchen Situationen handgreiflich wird.
Gott sei Dank klingelt das Telefon und meine Mom wendet sich ab, um das Gespräch anzunehmen. Ich haste in das Zimmer meiner Schwester, bevor meine Mom Anstalten macht, diese sinnlose Diskussion fortzuführen. Shelley sitzt an ihrem Spezialcomputer und drückt auf der Tastatur herum.
»Hallo«, sage ich.
Shelley sieht hoch. Sie lächelt nicht.
Ich möchte, dass sie weiß, dass ich nicht sauer auf sie bin. Sie wollte mir nicht wehtun – das ist mir klar. Shelley versteht manchmal vielleicht selbst nicht, warum sie bestimmte Dinge tut. »Lust, Dame zu spielen?«
Sie schüttelt den Kopf.
»Sollen wir Fernsehen gucken?«
Ein zweites Kopfschütteln.
»Ich möchte, dass du weißt, dass ich nicht sauer auf dich bin.« Ich komme näher, wobei ich aufpasse, dass meine Haare nicht in ihrer Reichweite sind, und reibe ihren Rücken. »Ich liebe dich, weißt du.«
Keine Antwort, kein Kopfnicken, kein verbaler Laut. Nichts.
Ich sitze auf der Kante ihres Bettes und sehe ihr zu, während sie mit ihrem Computer spielt. Ab und zu mache ich eine Bemerkung, damit sie merkt, dass ich noch da bin. Sie braucht mich vielleicht gerade nicht, aber ich wünschte, das würde sie. Denn leider weiß ich, dass eine Zeit kommen wird, da sie mich brauchen wird, und in der ich nicht für sie da sein kann. Das macht mir Angst.
Nach einer Weile lasse ich meine Schwester allein und gehe in mein Zimmer. Ich suche im Schülerverzeichnis der Fairfield High nach Alex’ Telefonnummer.
Dann klappe ich mein Handy auf und wähle seine Nummer.
»Hallo?«, antwortet eine Jungenstimme.
Ich atme tief durch. »Hi«, sage ich. »Ist Alex zu Hause?«
»Er ist nicht da.«
» Quién es ?«, höre ich seine Mutter im Hintergrund fragen.
»Wer ist dran?«, fragt der Junge mich.
Mir wird bewusst, dass ich an meinem Nagellack herumpiddle, während ich telefoniere. »Brittany Ellis. Ich bin, ähm, eine Schulfreundin von Alex.«
»Es ist Brittany Ellis, eine Schulfreundin von Alex«, erzählt der Junge seiner Mutter.
» Toma el mensaje «, höre ich sie sagen.
»Bist du seine neue Freundin?«, fragt der Junge mich.
Ich höre einen dumpfen Schlag und ein »Au!« und dann sagt er: »Kann ich etwas ausrichten?«
»Sag ihm, Brittany hat angerufen. Hier ist meine Nummer …«
18
Alex
Ich bin in dem Lagerhaus, wo die Latino-Blood-Gang jede Nacht abhängt. Ich habe gerade meine zweite oder dritte Zigarette geraucht – das Zählen habe ich aufgegeben.
»Trink ein Bier und hör auf, so deprimiert auszusehen«, sagt Paco und wirft mir ein Corona zu. Ich habe ihm erzählt, dass Brittany mich heute Morgen versetzt hat und seine einzige Reaktion war ein Kopfschütteln, als wäre allein die Idee, zu einem Mädchen auf die Northside zu fahren, vollkommen abwegig.
Ich fange die Dose mit einer Hand aus der Luft, werfe sie aber sofort wieder zurück. »Nein, danke.«
» ¿Que tienes, ese? Ist das Zeug etwa nicht gut genug für dich?« Das war Javier, der wahrscheinlich dämlichste Bruder aller Zeiten. El büey hat seinen Alkoholkonsum kaum besser unter Kontrolle als seinen Drogenkonsum, was bedeutet, so gut wie gar nicht.
Ich fordere ihn heraus, ohne ein Wort zu sagen.
»War nur’n Witz, Mann«, nuschelt ein betrunkener Javier.
Niemand will sich mit mir anlegen. Während
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