Du oder das ganze Leben
gehöre ihm der Laden. Chuy
wartet in der Ecke, aber seine Rolle ist beileibe nicht die eines unbeteiligten Zuschauers.
»Enrique, lass uns allein.«
Ich hatte gar nicht bemerkt, dass Enrique hinter mir geblieben war, falls ich einen Verbündeten brauchen sollte. Ich nicke meinem Cousin zu. Ich habe mir nichts vorzuwerfen, Hector hat keinen Grund an meiner Loyalität zu zweifeln. Chuys Anwesenheit jedoch macht aus diesem Treffen eine Riesennummer. Wäre es nur Hector, wäre ich nicht so angespannt.
»Alex«, sagt Hector, sobald Enrique verschwunden ist. »Ist es nicht angenehmer, sich hier zu treffen, als in einem Gerichtsgebäude?«
Ich schenke ihm ein müdes Lächeln und schließe die Tür.
Hector deutet auf die kleine, abgewetzte Couch in der hinteren Ecke des Zimmers. »Setz dich.« Er wartet, bis ich Platz genommen habe. »Ich will, dass du mir einen Gefallen tust, amigo .«
Es gibt keinen Grund, das Unausweichliche hinauszuzögern. »Welche Sorte Gefallen?«
»Am einunddreißigsten Oktober muss eine Schiffslieferung verteilt werden.«
Bis dahin sind es noch ein paar Wochen. Halloween – Nacht der Geister und Dämonen. »Ich deale nicht«, werfe ich ein. »Das wusstest du von Anfang an.«
Ich behalte Chuy im Auge, so wie ein Pitcher beim Baseball den gegnerischen Spieler, wenn der sich zu weit von der Base entfernt.
Hector beugt sich über mich und legt mir eine Hand auf die Schulter. »Du musst über das hinwegkommen, was mit deinem alten Herrn passiert ist. Wenn du die Latino Blood eines Tages führen willst, muss du auch mit Drogen handeln.«
»Dann steh ich für den Posten nicht zur Verfügung.«
Hectors Hand packt fester zu und Chuy kommt einige Schritte näher. Eine stille Drohung.
»Ich wünschte, es wäre so einfach«, sagt Hector. »Ich brauche deine Hilfe. Und, ehrlich gesagt, schuldest du mir was.«
Verdammt. Wenn ich nicht verhaftet worden wäre, würde ich Hector gar nichts schulden.
»Ich weiß, du wirst mich nicht enttäuschen. Wie geht es eigentlich deiner Mutter? Ich habe sie schon eine Weile nicht mehr gesehen.«
»Ihr geht es gut«, sage ich und frage mich insgeheim, was mi’amá mit dem Ganzen zu tun haben soll.
»Richte ihr meine Grüße aus, in Ordnung?«
Was zum Teufel soll das denn heißen?
Hector öffnet die Tür, weist Chuy an, ihm zu folgen und lässt mich allein, um in aller Ruhe darüber nachzugrübeln.
Ich lehne mich auf dem Sofa zurück, starre die geschlossene Tür an und frage mich, ob ich die Nerven habe, einen Drogendeal durchzuziehen.
Aber wenn ich meine Familie schützen will, ist die Entscheidung längst gefallen.
37
Brittany
»Ich glaube einfach nicht, dass du mit Colin Schluss gemacht hast.« Sierra sitzt nach dem gemeinsamen Familien-Abendessen auf meinem Bett und lackiert sich die Nägel. »Ich hoffe, du wirst deine Entscheidung nicht bereuen, Brit. Ihr zwei seid so lange zusammen gewesen. Ich dachte wirklich, du liebst ihn. Du hast sein Herz gebrochen, weißt du das? Er hat geweint, als er Doug angerufen hat.«
Ich setze mich auf. »Ich möchte nur glücklich sein. Colin macht mich nicht mehr glücklich. Er hat zugegeben, mich in den Sommerferien mit diesem Mädchen betrogen zu haben. Er hat mit ihr geschlafen, Sierra.«
»Das kann unmöglich wahr sein!«
»Glaub mir. Das mit Colin und mir war vorbei, als er in die Ferien gefahren ist. Es hat nur eine Weile gedauert, bis ich erkannt habe, dass es nicht mehr zu kitten ist.«
»Also hast du was mit Alex angefangen? Colin denkt, du tauschst mehr mit deinem Chemiepartner aus als bloß Reagenzgläser.«
»Nein«, lüge ich. Sierra ist zwar meine beste Freundin, aber sie glaubt auch fest an soziale Unterschiede. Obwohl ich ihr die Wahrheit sagen möchte, kann ich es nicht. Nicht heute.
Sierra schraubt den Deckel auf das Nagellackfläschchen und fährt mich wütend an: »Ich bin deine beste Freundin, Brit, ob
du es nun glaubst oder nicht. Du lügst mich gerade an. Gib es zu.«
»Was willst du von mir hören?«, frage ich. »Vielleicht versuchst du es zur Abwechslung mal mit der Wahrheit. Mensch, Brit. Ich verstehe, dass du nicht möchtest, dass Darlene was davon mitbekommt, weil sie gerade emotional nicht zurechnungsfähig ist. Und ich verstehe, dass du nicht möchtest, dass die M&Ms alles wissen. Aber ich bin schließlich deine beste Freundin, erinnerst du dich? Diejenige, die von Shelly weiß und davon, wie deine Mutter dich fertigmacht.«
Sierra nimmt ihre Handtasche und wirft sie sich
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