Du oder der Rest der Welt
trägst.«
Die nächste halbe Stunde versuchen wir, uns nicht zu bewegen. Ich blicke tief in Carlos dunkle Augen und er sieht in meine. Obwohl mein Körper allmählich völlig steif wird, fühle ich mich geborgen und glücklich. Es gibt nichts, was ich in diesem Moment sonst noch tun könnte, außer zu sagen: »Ich habe eine Entscheidung getroffen.«
»Worüber?«
»Uns. Ich möchte, dass wir mehr zusammen machen.«
Er zieht eine Augenbraue hoch. »Echt?«
»Ja.«
»Besiegeln wir es mit einem Handschlag?«
»Meine Hände sind grad anderweitig beschäftigt«, erkläre ich ihm.
Er lächelt dieses großspurige Lächeln, das so Teil von ihm ist, dass er nicht Carlos wäre ohne es. »Deine Hände sind vielleicht beschäftigt, aber deine Lippen sind es nicht.«
33
Carlos
Meistens wache ich davon auf, dass Brandon einen seiner üblichen Songs singt, der sich in meinem Kopf festsetzt. »Guten Morgen, Welt, guten Morgen, Welt. Hoch am Himmel strahlt die Sonne und ich lächle voller Wonne. Denn das ist ein Tag, so wie ich ihn mag!« Es würde jeden um den Verstand bringen.
Aber heute ist es nicht Kiaras kleiner Bruder, der mich aufweckt. Es ist Tuck, der im Flur grölt: » La cucaracha, la cucaracha, ya no puede caminar, porque no tiene, porque le falta , den Rest kenn ich nicht, la, la, la!«
Und im Gegensatz zu Brandon, der mich nur unabsichtlich auf die Palme bringt, scheint es Tucks Lebenszweck zu sein, dafür zu sorgen, dass ich ausraste.
»Hältst du eigentlich auch mal die Klappe?«, brülle ich und hoffe, er hört mich draußen im Flur.
»Hey, amigo «, sagt Tuck und steckt den Kopf durch die Tür. »Raus aus den Federn!«
Ich hebe den Kopf. »Hatte ich nicht die Tür abgeschlossen, um Leute wie dich draußen zu halten?«
Er zeigt mir eine verbogene Büroklammer und wackelt damit. »Yep. Glücklicherweise weiß ich, wie man den magischen Türöffner benutzt.«
»Raus hier.«
»Ich brauche deine Hilfe, amigo .«
»Nein. Raus mit dir.«
»Hasst du mich so sehr, weil Kiara mich lieber hat als dich?«
»Nicht mehr lange. Beweg deinen verfluchten Arsch aus meinem Zimmer! Sofort!«, befehle ich ihm. Der Typ macht keine Anstalten zu gehen.
»Okay, jetzt mal im Ernst«, sagt Tuck. »Ich weiß nicht, ob es wahr ist oder nicht, aber ich habe gehört, dass Leute, die mit obszönen Bemerkungen um sich werfen, versuchen, einen Mangel an, du weißt schon, Größe zu kompensieren.«
Ich werfe die Bettdecke von mir, springe aus dem Bett und jage hinter ihm her, aber als ich im Flur ankomme, ist er weg.
Kiaras Tür steht verdächtig offen. »Wo ist er?«, frage ich sie.
»Ähm …«, sagt sie.
Ich suche ihr Zimmer ab, dann öffne ich die Tür ihres Wandschranks. Klar, darin steht er. »Ich habe nur Spaß gemacht, Carlos. Verstehst du denn keinen Spaß, Mann?«, sagt er.
»Nicht um sieben Uhr morgens.«
Er lacht. »Zieh dir besser was an, damit du Kiara nicht mit deiner Morgenlatte verschreckst.«
Ich gucke auf meine Shorts runter. Tatsächlich präsentiere ich den beiden la tengo dura . Scheiße. Ich schnappe mir das Erstbeste und halte es vor mich, um mich vor ihren Blicken zu schützen. Wie es der Teufel will, ist es eines ihrer Stofftiere, aber ich habe grad keine große Wahl.
»Das ist Kiaras Muschi«, sagt Tuck lachend. »Kapierst du? Muschi?«
Ohne ein Wort zu sagen, renne ich zurück in mein Zimmer und schmeiße Muschi auf den Boden. So, wie ich Kiara kenne, wird sie mich wahrscheinlich zwingen, ihr ein neues Stofftier zu kaufen.
Ich setze mich auf mein Bett und grüble darüber nach, wie ich näher an Kiara rankommen soll, wenn doch Tuck so eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielt. Und dann grüble ich darüber nach, warum ich das überhaupt will. Ich küsse sie eben gerne, das ist alles. Ein Klopfen an meiner Tür unterbricht meine Gedanken.
»Was willst du?« Die Worte kommen als Knurren heraus.
»Ich bin’s, Kiara.«
»Und Tuck«, höre ich eine zweite Stimme.
Ich öffne die Tür. »Er will sich bei dir entschuldigen«, sagt Kiara.
»Es tut mir sehr leid, dass ich deine Tür ohne dein Einverständnis geöffnet habe«, sagt Tuck, als wäre er ein kleiner Junge, den seine Mutter zwingt, sich zu entschuldigen. »Ich verspreche, ich tue es nie wieder. Bitte vergib mir.«
»Na gut.« Ich will die Tür schließen, aber Kiara hält sie fest.
»Warte. Tuck braucht wirklich deine Hilfe, Carlos.«
»Wobei?«
»Mein Ultimate-Frisbee-Team hat nur sechs Spieler, und wir brauchen sieben.
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