Du oder der Rest der Welt
wird – sondern wahrscheinlich ziemlich angepisst.
43
Carlos
Ich klammere mich an Kiara, ich habe den verzweifelten Wunsch, sie zu beschützen. Wenn ich in der Lage wäre, mich zu bewegen, ohne mich wie Müll zu fühlen, würde es mich nicht so einlullen, dass ihre Finger meinen Arm streicheln. Obwohl ich nur zu gerne schlafen würde, möchte ich Kiara nicht aus den Augen lassen. Rodriguez könnte ihr wehtun, und ich kann nicht zulassen, dass das passiert. Solange Kiara in Sicherheit ist, está bien . Ich muss auch Luis und Mamá warnen. Ich will nur kurz den Schmerz wegschlafen, für ein paar Minuten. Kiaras Finger ziehen Linien über meinen Arm, sie lindern das Brennen und Stechen etwas, es wird dumpfer. Wenn ich ein paar Minuten döse, ist das okay.
Ich öffne die Augen, als ich höre, wie die Tür quietscht. Sofort fällt mir auf, dass Kiara nicht mehr an meiner Seite ist. Nicht, dass ich von ihr erwartet hätte, über mich zu wachen, während ich schlafe. Ich versuche mich aufzurichten, aber ich bin dermaßen steif, dass jeder Knochen, jeder Muskel und jede Sehne in meinem Körper protestiert. Also gebe ich auf und bleibe auf der Seite liegen, während ich gleichzeitig hoffe, dass Kiara gerade das Zimmer betreten hat und nicht ihre Eltern … oder noch schlimmer, Brandon. Wenn der Zwerg auf mich draufspringt, könnte das Resultat ziemlich hässlich werden.
Ich schließe die Augen. »Kiara?«
»Ja.«
»Bitte sag mir, dass du allein bist.«
»Das kann ich nicht.«
Verdammt. In einem schwachen Versuch, die verräterischen Beweise auf meinem Gesicht zu verbergen, lasse ich meinen Kopf tiefer in das Kissen sinken.
»Carlos, sag mir, was passiert ist. Sofort«, verlangt Westford mit knapper, sehr nach Militär klingender Stimme. Normalerweise ist er so umgänglich und gelassen … aber das ist jetzt nicht so.
»Ich bin zusammengeschlagen worden«, presse ich hervor. »In ein paar Tagen geht es mir wieder gut.«
»Kannst du laufen?«
»Ja, aber bitte zwingen Sie mich nicht, es Ihnen zu beweisen. Vielleicht später, vielleicht morgen.«
Westford hebt die Decke an und flucht. Ich hatte nicht gedacht, dass er dazu fähig ist.
»Ich wünschte, Sie hätten sich das erspart«, sage ich zu ihm. Ich habe kein Shirt an, und er sieht das Trauerspiel live und in Farbe. Ich gucke Kiara an, die neben dem Bett steht. »Du hast mich hintergangen. Ich habe dich gebeten, es ihnen nicht zu verraten.«
»Du brauchst Hilfe«, sagt sie. »Du kannst das nicht allein schaffen.«
Westford kniet sich hin, sodass wir auf Augenhöhe sind. »Wir fahren jetzt ins Krankenhaus.«
»Auf gar keinen Fall«, widerspreche ich ihm.
Ich höre weitere Schritte in den Raum hinein. »Wie geht es ihm?«, fragt mein Bruder.
»Hast du die gesamte Kavallerie gerufen oder nur die halbe?«, frage ich Kiara.
Mein Bruder wirft einen Blick auf mich und schüttelt den Kopf. Er fährt sich mit der Hand übers Gesicht, gepeinigt von Ohnmacht, Wut und Schuldgefühlen. Es ist nicht seine Schuld, es ist meine. Ob ich nun eine Wahl hatte oder nicht, ich hab mich selbst da reingeritten, und ich werde auch wieder rausfinden. Im Moment wünsche ich mir einfach, dass alle mich allein lassen, denn ich will nicht darüber reden, wer in den Kampf verwickelt war und warum er überhaupt stattgefunden hat.
»Mir geht’s gut … jedenfalls bald wieder«, versichere ich ihm.
Der Professor sagt zu Alex: »Er will nicht ins Krankenhaus.« Dabei hat er einen so besorgten Ausdruck im Gesicht, dass man meinen könnte, der Mann habe Angst um seinen eigenen Sohn.
»Er kann nicht ins Krankenhaus«, erwidert Alex.
»Das ist doch Irrsinn, Alex. Welche Sorte Leute fährt denn nicht ins Krankenhaus, wenn sie medizinische Hilfe benötigt?«
»Unsere Sorte«, erwidere ich.
»Das gefällt mir nicht. Das gefällt mir ganz und gar nicht. Wir können doch nicht einfach hier sitzen und nichts tun. Sieh ihn an, Alex. Er krümmt sich vor Schmerz. Wir müssen etwas tun.« Ich höre, wie Westford auf dem Tepppich hin und her tigert. »Also schön, ich habe einen Freund, Charles, der Arzt ist. Den ruf ich jetzt an und sehe, ob er zu uns kommen kann, um sich Carlos’ Verletzungen anzusehen.« Westford kniet sich neben mir hin. »Aber wenn er anordnet, dass du ins Krankenhaus musst«, sagt er und droht mir mit dem Zeigefinger, »dann gehst du auch. Selbst wenn ich dich dafür an Händen und Füßen aus dem Haus zerren muss.«
Diese Vorstellung weckt ungute Erinnerungen.
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