Du oder die grosse Liebe
Hosenbund, dann gehe ich zur Haustür. Darauf prangt ein Aufkleber, auf dem Hausieren verboten steht. Ich bin hier, um Drogen zu verkaufen. Ist das Hausieren? Ich könnte wahrscheinlich einen aufsehenerregenden Aufsatz zu diesem Thema verfassen, in dem ich die Pros und Cons einander gegenüberstelle.
Okay, ich schinde Zeit. Du schaffst das, rede ich mir ein, während mein Herz wild und rasend pocht. Ich klingle und höre Schritte, als jemand zur Tür kommt. Sie öffnet sich. Ein Typ mit einem kahl rasierten Schädel, der mich an einen Cage Fighter erinnert, den ich mal im Fernsehen gesehen habe, steht vor mir. Ich nehme an, dass er seit einer Woche nicht geduscht hat, denn er riecht beschissen.
»Wer zum Teufel bist du?«, fragt der Typ mich.
Hm … was antworte ich darauf? Es ist nicht leicht, mir aus dem Nichts das Passende einfallen zu lassen. »Äh … ich glaube, ich habe das Zeug, das Sie wollen.«
Ich hör mich an wie ein Volltrottel.
»Was für Zeug?«, fragt der Typ völlig unbeeindruckt davon, wie dämlich unser Wortwechsel klingt.
Ich mache Anstalten, eines der Päckchen aus meiner Hosentasche zu ziehen, als der Typ mich am T-Shirt packt und mit sich ins Haus zerrt.
»Tu das bloß nie wieder, hörst du mich. Die Bullen fahren die Straßen auf der Suche nach Jungs wie dir ab, die sie einbuchten können. Wenn sie sehen, wie du mit Coke rumwedelst, werden wir beide verhaftet. Okay …« Er schnüffelt ein paar Mal und seine Hände zittern erwartungsvoll. »Zeig mir, was du hast.«
Ich ziehe die fünf Päckchen aus der Hosentasche. »Fünfundsiebzig Dollar pro Stück. Dreihundertfünfundsiebzig für alle fünf.« Ich war schon immer gut in Mathe.
»Wie wär’s mit dreihundertfünfzig?«, entgegnet er.
Mal ernsthaft, darf man bei einem Drogendeal überhaupt handeln? Er hält mich offenbar für einen blutigen Anfänger. Was ich ja auch bin, aber falls Chuy den Deal überwacht, gebe ich besser nicht nach. Wenn ich das hier nicht durchziehe, stellt das meine Loyalität infrage.
»Wofür hältst du mich, verfluchte Scheiße? Einen Großhändler?«, sage ich angepisst. In die Rolle des toughen Gangmitglieds zu schlüpfen, fällt mir leicht. »Dreihundertfünfundsiebzig oder das war’s.« Wo ich schon mal hier bin und alles riskiere, kann ich genauso gut die volle Summe abkassieren. »Bei mir stehen noch zehn andere Schlange, die mir vier Hunnis für so reinen Stoff geben würden. Entweder du nimmst es oder sie werden es tun.«
Ich habe einen Kurs Angewandte Volkswirtschaft belegt, das Angebot-und-Nachfrage-Modell ist der Hit. Falls der Typ denkt, das Angebot sei begrenzt und die Nachfrage groß, stehen die Chancen gut, dass er mitspielt.
Er zögert den Bruchteil einer Sekunde. Ich beschließe, es darauf ankommen zu lassen, und wende mich zur Tür. Ein Bluff, aber …
»Okay, gut!«, ruft er. »Ich bin gleich mit dem Geld wieder da. Du …. warte du einfach hier.«
Ich halte die Päckchen in einer Hand und greife mit der anderen nach der Glock. Falls der Typ vorhat, mich abzuknallen, sollte ich darauf vorbereitet sein, das Feuer zu erwidern oder die Beine in die Hand zu nehmen.
Verdammt, was ist aus mir geworden? Ein Gangster und Drogendealer, dem einer abgeht, wenn er den Harten markieren kann. Wie leicht es doch war, diese Hundertachtziggradwendung hinzulegen. Aber ich muss einfach erfahren, was Chuy im Ärmel hat, und das werde ich nicht, wenn ich einfach abhaue. Es ist etwas, das mit mir zu tun hat. Das weiß ich mit absoluter Sicherheit. Zu den Cops kann ich nicht gehen. Chuy hat überall auf den Straßen Augen und Ohren und angedeutet, sogar ein paar Polizisten aus Fairfield stünden auf seiner Gehaltsliste. Zum ersten Mal in meinem Leben kann ich nicht das Richtige tun.
Mir kommt der Gedanke, dass dieser pendejo , der die Drogen von mir kaufen will, ein Undercovercop sein könnte. Aber ich verwerfe den Gedanken wieder, als mir einfällt, wie sehnsüchtig er das yeyo angestarrt hat. Allein die Aussicht darauf, den Stoff in greifbarer Nähe zu haben, hat unkontrolliertes Schnüffeln bei ihm ausgelöst.
Der Typ kommt mit einem Bündel Geldscheine in der Hand ins Zimmer zurück. »Hier«, sagt er und schiebt mir das Geld zu.
Soll ich es zählen, bevor ich gehe, oder gilt das als unfein? Ich kenne das Protokoll nicht, also improvisiere ich diesen Scheiß hier einfach Schritt für Schritt. Ich werfe einen kurzen Blick auf das Geld und übergebe ihm dann das yeyo .
Als ich zurück zum Wagen
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