Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie
Cromwell trat aus seiner Kabine. Er hatte den Talar eines Messdieners übergeworfen. Dazu ging er gebückt und trug ein verlogen-unterwürfiges Grinsen zur Schau. Dergestalt buckelte er sich an uns heran und flüsterte: »Exzellenz – die Gemeinde wartet nur noch auf SIE!«
W ir hinterlegten unsere Kaution und machten uns auf den Weg zu Cromwells Auto. Passanten starrten uns an. Verunsichert. Wir mussten also einen recht authentischen Eindruck machen. Cromwell buckelte vor uns her, während Mendelssohn und ich nebeneinander spazierten, mit ernsten Gesichtern, als wären wir mindestens unterwegs zur nächsten Papstwahl. Feierlich stieg unser kirchlicher Dreierpack in Cromwells abgewrackte Karre.
»Wir sollten uns das Cabrio von Thorsten leihen. Was glaubt ihr, was wir damit hermachen! Vor allem an einer roten Ampel! Die Mädels würden uns lieben!«, rief Cromwell
begeistert und suchte in seinem Autoradio nach der zu uns passenden Musik. Einige Sender brachten bereits vorpfingstliche Klänge, und so kam es, dass wir drei Figuren unsere Fenster hinunterließen, so dass sich dem Fußgänger folgendes Bild bot:
Ein blonder, längst schon volljähriger Messdiener am Steuer, neben ihm ein sehr ernsthaft blickender Kardinal mit Sonnenbrille, auf dem Rücksitz ein Bischof, der wegen seiner hohen Mitra den Kopf schief hielt und seinen Bischofsstab quer über die Hutablage gelegt hatte. Und zu all dem dröhnten Choräle von Palestrina aus den zitternden Boxen. Menschen blieben am Fahrbahnrand stehen, wir wurden begafft, man zeigte mit Fingern auf uns und man lachte.
Weil wir so gut ankamen, beschlossen wir, uns ein wenig unters Volk zu mischen. »Außerdem habe ich Hunger!« , knurrte Kardinal Mendelssohn. Cromwell steuerte den Parkplatz eines großen Möbelmarktes an und parkte in der Nähe eines Imbissstandes ein. Wir wühlten uns aus dem Auto, Messdiener Cromwell hakte den Kardinal Mendelssohn unter, in angemessener Entfernung folgte ich Bischof. Die Leute sahen uns an, manche grinsten, manche schienen unsicher, ob wir nicht doch echt sein könnten. Die Imbissbesitzerin war eine Frau um die fünfzig; ihr nicht wettergegerbter, sondern eher bratfett-isolierter Teint mit den nach unten gezogenen Mundwinkeln verlieh ihrem Gesicht einen defätistischen Ausdruck, der sich auch nicht änderte, als wir drei heiligen Könige vor ihrem Tresen Aufstellung nahmen. Wir bestellten Rindswurst mit
Pommes, Cromwell spendierte diese Runde, und als er den nach oben aufgerundeten Betrag mit einem »Stimmt so!« der Frau entgegenschob, fügte er sogar noch ein wohlwollendes »Vergelt′s Gott!« hinzu. Während Mendelssohn sich bemühte, einen Lachkrampf zu unterdrücken, bewegte sich im Gesicht unserer Wurst-Dealerin – nichts. Cromwell beugte sich zu mir rüber und flüsterte: »Sie hat ein verhärtet′ Herz. Ein Herz wie ein Klumpen ranziges Kokosfett.« Wir nahmen unseren Imbiss zu uns, wobei wir unsere Papptellerchen sorgfältig auf Abstand zu unseren wertvollen Roben hielten. »Lasst uns reingehen und in der – sagen wir mal: Bettenabteilung den Leuten die Beichte abnehmen!«, schlug ich vor. Cromwell und Mendelssohn prusteten los. Dann fiel mir ein, dass ich noch nie versucht hatte, bei einem Möbelhaus zu containern. Was die wohl so in ihren Müll warfen? Vielleicht Teppiche mit kleinen Fehlern? Oder fehlbedruckte Kissen? Mendelssohn warnte mich: In seiner Gegenwart dürfe ich noch nicht mal daran DENKEN, in den Müll zu kriechen! Und als Erzbischof schon gar nicht!
Bestens gelaunt betraten wir das Möbelhaus.
D as trifft sich gut«, meinte Mendelssohn, er brauche noch ein paar Kleiderhaken. Oder einen Kleiderständer. Für das Vestibül. Wir schlenderten durch die Heimwerkerabteilung, und plötzlich quietschte etwas hinter uns. Ich fuhr herum – und wir drei Kasperle standen vor Laura und Marvie. Die beiden Mädchen lachten und wimmerten und hielten sich dabei an irgendwelchen Regalen voller Schrauben
fest. Dann machten wir sie mit Cromwell bekannt. Cromwell hatte wieder einen falsch-demütigen Messdiener-Gesichtsausdruck aufgesetzt und schüttelte unseren Nachbarinnen anhaltend die Hände; erst Laura und dann noch anhaltender Marvie. So anhaltend, dass ich schon einschreiten wollte. Zudem überlegte ich, ob ich in meinem Dress nicht zu lächerlich wirkte und ob Marvie mich ab heute nur mehr als Schießbudenfigur sehen würde … Zum Glück hatte ich wenigstens meine Mitra im Auto gelassen.
Die beiden Schönen
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