Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie
waren auf der Suche nach einem Tapeziertisch und wir schlossen uns ihnen kurzerhand an. »Wir wollen demnächst ein Gartenfest geben«, verriet Laura, »und uns fehlt noch ein Buffet.« Laura erzählte grinsend: »Unser letztes Buffet ist nämlich zusammengebrochen. Aber nicht, weil es sich so gebogen hätte, nein. Weil da jemand drauf gefallen ist, und zwar…« Marvie unterbrach hastig ihre Schwester und sagte: »Ihr seid natürlich auch eingeladen.«
»Herrlich!«, rief ich eine Nuance zu schrill für einen Erzbischof. »Ich liebe Gartenfeste!«
Cromwell grinste mich frech an und ich wünschte, ich hätte ihm nie etwas von meinen Gefühlen für Marvie erzählt. Er gab mir sogar einen kumpelhaften Rempler. Ich merkte, dass ich rot wurde, und vertiefte mich vorsichtshalber in einen Stand mit Duschvorhängen.
W ir trugen den Tapeziertisch der Mädels zu ihrem Auto. Cromwell und ich luden ihn in der Schwestern Kofferraum, während die beiden mit Mendelssohn kicherten
und tratschten. Und sich für heute Abend verabredeten. Und wir sollten unbedingt in vollem Ornat erscheinen. Und es gehe doch nichts über eine spontane Pfingstparty mit hohen Würdenträgern.
W ährend der Rückfahrt rief Cromwell gut gelaunt: »Meine Mitbrüder! Wie fühlt man sich denn so, mit einem Bein in der Amtsanmaßung?« Mendelssohn zuckte zusammen: »Meinst du, der Spaß kann uns irgendwie Probleme bringen?«
»Ach was!«, beruhigte ich ihn. »Nur, wenn wir wirklich jemandem die Beichte abnehmen. Oder Trauungen vornehmen. Oder wen taufen. Gell, Cromo?«
Cromwell bestätigte und parkte hinter den Mädels ein. »Also nachher bei uns! So gegen acht!«, riefen sie und schleppten den Tapeziertisch in ihr Haus.
»Ich glaube, das wird ein verdammt schönes Pfingstfest«, sagte Cromwell. Von kleinen Ahnungen befallen, sagte ich zu ihm: »Aber Hände weg von Sister Marvie!«
Worauf Cromwell unentschieden orakelte: »Das wäre das erste Mal, dass wir beide den gleichen Geschmack hätten. Eine nicht unspannende Situation, das.«
Kapitel 6
besteht aus einem ungezogenen Messdiener,
einer unmoralischen Wette
und einer eskalierenden Wurst.
D a uns bis zum Beginn unserer spontanen Vigil noch etwas Zeit blieb, half mir Cromwell dabei, Mendelssohns Regale in dem nach rechts weisenden Raum zu bearbeiten. Zu zweit verging die Schrauberei wie im Fluge, so dass Mendelssohn sich zeitgleich über den Inhalt seiner Kisten ins Bild setzte: »Bücher. Was für Bücher habe ich hier?« Ich warf einen Blick in seine Kartons: »Du bist gerade an – Moment mal – Kinderbüchern. In der Kiste daneben, das sieht mir nach – Geschichtsbüchern aus.« Wir sortierten
Mendelssohns Habe in die Regale ein, während Mendelssohn einzelne Bücher betastete, sie qua Betasten identifizierte, den Titel nannte und sie liebevoll streichelte, bevor er sie an uns weitergab. Jedes einzelne Exemplar verzückte ihn so zeitraubend, dass unsere Arbeit ins Stocken kam. Auch der Bücherwurm Cromwell geriet ins Stöbern; erst schweigend, dann las er uns hie und da eine Stelle, einen Satz oder eine Passage vor. »Hast du gar keine Ratgeber?«, nölte ich dazwischen. »So etwas wie: ›So erobere ich das Herz einer zur Zeit anderweitig besetzten Frau‹? Oder ›So mache ich meine Nachbarin klar‹?« Cromwell gab mir zu bedenken, dass Frauen sich unter anderem besonders von Männern mit Macht angezogen fühlten. Von Männern, die einen gewissen Status besäßen. Am liebsten einen Promi-Status. Und sei dieser auch noch so intern und auf einen bestimmten Kulturzirkel begrenzt. Wie beispielsweise der Status der Wurst im Theaterleben. Und da ich über keinen solchen verfüge, könne ich eigentlich nur eines in die Waagschale werfen: Humor. Frauen stünden – das habe er in einer Studie gelesen – auf Humor. Aber da er mich im Grunde meines Herzens für einen ernsthaften, ja depressiven Jammerlappen halte, wäre auch schon geklärt, wer von uns beiden am Ende die schöne Marvie nach Hause führen würde, nämlich der ungekrönte Scherzkekskönig Cromwell, der schon als Kind den Ruf einer Bonmot-Maschine innegehabt hätte und sich – quod erat demonstrandum – vor Weibern kaum noch habe retten können. Und Cromwell seufzte gefälscht auf: Er sei nun mal als Womanizer zur Welt gekommen, verspreche aber, sobald er mit
Marvie fertig sei, bei ihr ein gutes Wort für mich einzulegen. »Unverschämtheit!«, quengelte ich.
E s war herrlich, dass Cromwell zu Besuch war und
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