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Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Titel: Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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gen Himmel und lauschte angestrengt in das Schweigen, das nur von den kleinen Seufzern, die aus der Wurst kamen, unterbrochen wurde. Mein Herz begann zu hupfen; vermutlich einen Koffein-Can-Can. Mendelssohn schien zu spüren, dass er den Mittelpunkt aller Blicke bildete; er stand da wie eine Zielscheibe, die von Pfeilen aus allen Richtungen durchlöchert wird. »Was ist passiert?«, fragte er streng und wie wütend über seine Blindheit. »Sagt mir sofort, was hier los ist!« Kein Lövenich setzte zu einer Erklärung an. Cromwell erlöste Mendelssohn: »Der Dicke liegt auf dem Boden. Ich glaub, er hat eine Wunde am Kopf.« Und zu unseren Gastgebern: »Wir müssen den Notarzt rufen!« Die Wurst stöhnte laut auf; es klang irgendwie zustimmend.
Doch die Lövenichs bewegten sich nicht. Endlich sagte Katharina: »Wir haben hier ein Problem.« Ich kapierte gar nichts mehr, dafür flatterte mein Herz heftiger, knatternd wie eine Fahne im Sturm. Koffein UND ein Notfall – das ist eindeutig zu viel für einen Phlegmaten mit zu viel Champagner und Dingsbums im Blut.
    »Ist er hingefallen?«, fragte ich blöde, nur um jemanden sprechen zu hören.
    »Ich weiß nicht«, sagte Katharina vorsichtig und sah auf Mendelssohn, als verlange sie von ihm eine plausible Klärung der Situation.
    »Notarzt«, sagte Cromwell. »Soll ich den Notarzt rufen?«
    »Nein!« Paps befreite sich von Marvie und reichte sie fürsorglich an Katharina weiter. »Das will jetzt überlegt sein! Was können wir tun?«
    »Den Sack hier liegen lassen und runtergehen, ein bisschen tanzen«, wollte ich vorschlagen, aber Paps zählte auf: »Wir rufen einen Notarzt. Dann wollen die wissen, woher er die Wunde hat. Und das ist schlecht. Und wenn sie ihn retten, ist es erst recht schlecht. Dann sagt er ihnen, was passiert ist. So oder so – es sieht schlecht aus.«
    »Was ist denn passiert, verdammt noch mal!«, schimpfte Mendelssohn. »Hat ihn einer von euch erschlagen, oder was?«
    Aha. Das Blut aus dem Kopf des Dicken suppte in meine Richtung, wurde aber auf dem Weg zu meinen Schuhspitzen vom Teppich aufgesogen. Ich hätte nicht sagen können, ob der Saft arterieller oder venöser Herkunft war, aber das Muster sah original nach Paisley aus. Meines Erachtens
biss sich das dunkelrote Paisley scharf geschmacklos mit der würdelosen Brokatweste. Aber jeder ist seines Glückes bzw. Styles Schmied.
    In meine Design-Fragen hinein sprach Cromwell: »Wir können ihn doch nicht so liegen lassen!«
    Schweigen.
    Dann Paps: »Vielleicht MÜSSEN wir ihn so liegen lassen. Zunächst mal.«
    Cromwell: »Wie ist das denn passiert?«
    Alle Lövenichs durcheinander: »Er ist gestolpert!« – »Er ist mit dem Kopf gegen den Tisch gekommen!« – »Er drehte plötzlich durch!« –
    Erneutes Schweigen.
    Cromell: »Aber wenn er jetzt stirbt?«
    »Das ist besser, als wenn er uns hinter Gitter bringt«, sagte extrem gefasst Katharina. Die Restlövenichs nickten dazu und schnatterten wieder los: »Ich sage, dass ICH es war! – »Ich auch!« – »Außerdem war es Notwehr!« – »Es war ein Unfall!« – »Wenn wir uns alle schuldig bekennen, dann können die doch niemanden einsperren, oder? Es gibt ja schließlich keine Zeugen, oder?« Und wie aufs Stichwort sahen alle wieder zu Mendelssohn. Der einzige Augenzeuge hielt sich an seinem Blindenstock fest und zuckte resignierend mit den Achseln. Cromwell schien zu meditieren: »Sieht das denn nach einem Unfall aus? Ich meine, wenn die Spurensicherung oder die Rechtsmedizin da ins Detail gehen…« Ich wunderte mich darüber, wie schnell Cromwell die Möglichkeit, dass der Wurstmann überleben könnte, übersprang.

    »Naja, nicht direkt. Er war halt in Schwung, und dabei ist er gefallen und mit dem Kopf… er ist halt im Suff unglücklich gestürzt. Basta!«, verfügte Katharina.
    So wie sie um eine Erklärung kämpfte, hatte offenbar Katharina unserem dicken Literaten den Todesstoß versetzt. Obwohl auch Laura aussah, als hätte sie Dreck am Stecken. Und Ritchie war so aufgelöst, dass nur er es gewesen sein konnte. Oder etwa meine Marvie?
    Vielleicht hatte die Wurst versucht, meine Marvie zu vergewaltigen? Das war doch ein Klassiker: Die Wurst stürzt sich zwecks Notzucht mit runtergelassenem Saitling auf die Jungfer Marvie, sie wehrt sich, ein Hieb gibt den anderen …
    »Obwohl«, gab Laura zu bedenken: »So richtig besoffen wie sonst war er heute ausnahmsweise mal nicht.«
    »Verdammt!«, sagte Cromwell. »Aber jetzt mal ganz

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