Du sollst nicht hassen
Israelis.« Ich hatte immer noch die Papiere, die mir erlaubten, nach Israel einzureisen, und trotz der Tatsache, dass die Intifada immer noch tobte, schien alles ganz normal, als ich sie an der Grenze zeigte.
Als ich das erste Mal nach sechzig Tagen an das Genetik-Institut zurückkehrte, empfingen mich meine israelischen Kollegen und Freunde wie einen Sohn, der nach langer Abwesenheit heimkehrt. Sie sagten mir, dass sie alle an mich gedacht hätten, und der Leiter des Instituts, Ohad Burke, hieß mich mit Blumen und einer dicken Umarmung willkommen. Einer meiner israelischen Freunde im Soroka sagte zu mir: »Izzeldin, ich habe gehört, du hattest Angst zurückzukehren. Ich sage dir, ich bin bereit, mein Leben für deine Sicherheit zu opfern, wenn irgendein Israeli versuchen sollte, dir etwas anzutun.« Wie könnte irgendjemand mehr tun?
Aber es gab auch Kollegen in Gaza, die meine Beweggründe infrage stellten. Einer sagte: »Wie kannst du diesen jüdischen Frauen helfen, Babys zu bekommen? Sie werden zu Soldaten heranwachsen, Bomben auf uns werfen und uns erschießen.« Ein anderer sagte mit zusammengebissenen Zähnen: »Es macht mich sehr wütend, dass du das tust.« Einige waren der Ansicht, ich würde einer neuen Generation von Besatzern auf die Welt verhelfen. Ich versuchte, ihnen zu sagen, dass all diese israelischen Kinder genauso gut auch Ärzte werden könnten.
Wir waren dem Frieden so nahe gewesen. Wie viele andere hatte ich große Hoffnung gehegt. Ich hatte meine Touren geführt und hatte in Gaza mit Hilfe von israelischen Ärzten sogar Kliniken eröffnet, die alle wieder schließen mussten. Man hatte es fast zu einer Friedensvereinbarung gebracht und ließ nun unsere Beziehung so rasch wieder kaputtgehen. Als die Zweite Intifada ausbrach, war jede Seite nur noch mit ihrem eigenen Schmerz beschäftigt und gab der anderen die Schuld, statt zu erkennen, dass wir die Rechte beider Völker auf ein Leben in Ruhe und Frieden anerkennen müssen. Ich wünschte, ich könnte meine Augen schließen, und wenn ich sie öffnete, wären wir wieder an dem Punkt, wo wir waren, bevor die Zweite Intifada begann und wir noch miteinander redeten.
Die Zweite Intifada hat mehr als alles andere bewiesen, wie sehr wir Palästinenser und Israelis miteinander verbunden sind und dass wir einen Weg finden müssen, miteinander zu leben. Das Scheitern des Friedensprozesses war ein Versagen beider Seiten. Ich bewegte mich auf einem sehr schmalen Grat, als ich versuchte, die beiden Seiten einer äußerst aufgeladenen Debatte zusammenzubringen. Ich dachte, wenn ich mehr palästinensische Ärzte dazu bewegen könnte, ihren Facharzt in israelischen Krankenhäusern zu machen, würden sie die wahren Israelis kennenlernen, die an den Frieden glauben. Und umgekehrt würden die Israelis die menschliche Seite der Palästinenser erfahren.
Meiner Meinung nach ist das Gesundheitswesen die beste Brücke zwischen unseren beiden Völkern. Als Arzt mache ich keinen Unterschied zwischen Israelis, Palästinensern, arabischen Israelis, Neu-Einwanderern oder Beduinen. Meine Pflicht ist es, dafür zu sorgen, dass jedes Kind gesund geboren werden kann. Aber was passiert, wenn diese unschuldigen Kinder groß werden? Wer bringt ihnen die Dinge bei, die sie zu Feinden statt zu Freunden werden lassen?
Obwohl der Konflikt weiter anhielt, beschlossen meine Brüder und ich, ein neues Haus zu bauen – ein vierstöckiges Gebäude, in dem jeder für sich und doch alle gemeinsam wohnen könnten, ein Bruder auf jedem Stockwerk und unsere Mutter im Erdgeschoss. Wir steuerten alle etwas bei, auch wenn ich das meiste bezahlte, und bauten ein Haus in Jabaliya-Stadt, in den Außenbezirken des Camps. Mein Bruder Shehab lebte in der Nähe, während meine drei Schwestern bei den Familien ihrer Ehemänner im Camp von Jabaliya und in Gaza-Stadt wohnten. Aber wie alles in unserem Leben brachte das neue Haus eine weitere knifflige Situation mit sich. Unsere Mutter, Dalal, die stärkste Frau, die ich je kennengelernt habe, weigerte sich, bei uns einzuziehen. Sie wartete immer noch darauf, dass mein Bruder Noor nach Hause käme. All die Jahre lüftete sie seine Hemden und bügelte seine Hosen in der Hoffnung, dass er zur Tür hereinkäme und alles wäre wie früher. Mutter träumte regelmäßig, dass sie ihn nach Hause kommen sah, doch er ist seit achtzehn Jahren verschollen. Sie wollte das kleine Haus im Flüchtlingscamp, das mit dem Geld gebaut worden war, das ich mit
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