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Du sollst nicht hassen

Titel: Du sollst nicht hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Izzeldin Abuelaish
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setzte sie in mein Auto, um sie ins Al-Shifa Hospital in Gaza zu fahren. Nachdem sie auf die Intensivstation eingewiesen worden war, rief ich im Soroka an, um die Reise abzusagen, und meine Kollegen schlugen vor, dass ich sie zu ihnen bringen sollte. Ich dachte über das Angebot nach, denn das Al-Shifa hatte nicht immer die Ausstattung, die die Patienten brauchten. Aber als ich sie im Krankenhaus besuchte, stattete gerade der Gesundheitsminister der palästinensischen Autonomiebehörde einen offiziellen Besuch ab. Bei seinem Rundgang hielt er beim Zimmer meiner Mutter an, um mich zu begrüßen. Von da an sorgte das Personal dafür, dass meine Mutter alles bekam, was sie brauchte. Im Al-Shifa kommt es immer noch darauf an, wen man kennt. Aus meiner Sicht als Arzt war mir klar, dass es für meine Mutter das Beste war, ihr alles so angenehm wie möglich zu machen. Als sie wieder zu Bewusstsein kam und nach Bessan fragte, die über die Jahre viele Nächte bei ihrer Großmutter verbracht hatte, sorgte ich dafür, dass meine Tochter sie besuchen kam. Wir blieben Tag und Nacht an ihrem Bett, drei Tage später starb sie.
    Ich empfand große Trauer über diesen Verlust. Ich hatte ihr ein besseres Leben verschaffen, mich um sie kümmern, sie für die Härten, die sie erlitten hatte, entschädigen wollen. Der Abschluss meiner Facharztausbildung und der Umstand, dass ich damit zum ersten palästinensischen Arzt wurde, der in einem israelischen Krankenhaus Dienst tat, hätte sie so stolz gemacht, aber dafür war es noch ein paar Monate zu früh. Als wir sie zum Friedhof brachten, um sie zu beerdigen, fuhr der Trauerzug an dem Haus vorbei, das meine Brüder und ich gebaut hatten. Näher ist sie ihm nie gekommen.
    Einen Monat, nachdem meine Mutter gestorben war, gab es ein Selbstmordattentat in einem Hotel in Israel. Auch wenn ich am anderen Ende des Landes war und offensichtlich nichts damit zu tun hatte, wurde ich sofort für die Einreise nach Israel gesperrt, daran gehindert, meine Patienten zu sehen und meine Arbeit zu tun. Erst nach zwei Monaten und der Intervention meiner israelischen Kollegen aus dem Krankenhaus und sogar Angehörigen der Knesset, des israelischen Parlamentes, wurde das Verbot rückgängig gemacht und mir wurde wieder erlaubt, die Grenze zu passieren.
    Die Leute sagen mir oft, sie würden mich für meine Geduld bewundern und für die Fähigkeit, voreiliges und impulsives Handeln zu vermeiden. Und ich sage ihnen, dass ich das beim Schlangestehen am Checkpoint von Eres gelernt hätte.
    Im Jahr 2003 wurde unser zweiter Sohn, Abdullah, geboren. Unsere Familie war nun vollständig. Geduld hin oder her – auf meinem Weg über die Grenze fragte ich mich, in was für einer Welt diese meine Familie wohl aufwachsen würde.
    In diesen Jahren war ich viel von zu Hause fort. Sobald ich meine Weiterbildung beendet hatte, erhielt ich von den American Friends of Ben-Gurion University und den American Friends of Soroka eine Förderung für eine Fortbildung in Fetalmedizin und Genetik am Krankenhaus V Buzzi in Mailand und dem Hôpital Erasme in Brüssel.
    Diese Reisen öffneten mir auch die Augen für die Notwendigkeit von Verbesserungen in der Gesundheitspolitik, insbesondere für eine Bevölkerung wie der palästinensischen. Ein Freund organisierte für mich ein Treffen mit einem Dekan an der Harvard University’s School of Public Health, und dieser sagte mir: »Sie können von uns profitieren und wir auch von Ihnen.« Was er meinte, war: Ich hatte Erfahrungen mit dem öffentlichen Gesundheitswesen in einem überfüllten Flüchtlingscamp, und er war der Fachmann für das Entwickeln von Strategien im Gesundheitswesen. Gemeinsam könnten wir neue Beiträge zu gesundheitspolitischen Theorien leisten. Doch in Boston zu studieren hieße, schon wieder für eine lange Zeit von zu Hause fort zu sein. Und ich war unsicher, ob ich in der Lage war, eine weitere Reihe von Prüfungen zur Aufnahme in Harvard abzulegen. Seit Jahrzehnten hatte ich für irgendwelche Prüfungen gelernt. Dennoch ließ das Thema des öffentlichen Gesundheitswesens mir keine Ruhe. Ich wusste, es war für die Arbeit, die ich vorhatte, wie das fehlende Puzzleteil. Schließlich fasste ich den Entschluss, die Studienmöglichkeit wahrzunehmen, die Harvard bot, und brach 2003 für ein einjähriges Master-Programm in Gesundheitspolitik und Management auf.
    Es sollte zu einer unschätzbaren Erfahrung werden, verschaffte mir Zugang zu einem völlig anderen Bereich

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