Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)
dachte Nicky.
Unter dem Rasen.
Adam hatte das wörtlich genommen und auf diese kleine Notiz hin den ganzen Rasen umgegraben. Connie und Catherine hatten einander nicht ausstehen können, so viel war klar. Ein Flugzeug dröhnte über das Haus hinweg. Was hatte Adam gedacht, was er finden würde? Hatte er es inzwischen gefunden? So oder so – sie selbst tappte nach wie vor im Dunkeln.
Sie erhob sich und legte die Tagebücher zurück in den Koffer, den sie unters Bett schob. Dann ging sie, das Gewehr in der Hand, durch den Flur und ein Stück die Treppe hinunter und betrachtete Catherines schlammfarbene Bilder noch einmal.
Unter dem Rasen, unter dem Rasen
… Was nun?
Aus dem Billardzimmer dröhnte ein Schlag, der sie erstarren ließ. Da, noch einmal. Den Rest der Treppe kroch sie auf allen vieren hinunter, wobei sie die Tür, die einen Spalt offen stand, nicht aus den Augen ließ. In einer Hand die Waffe, in der anderen die Taschenlampe, durchquerte sie die Diele und wappnete sich dafür, die Tür mit dem Gewehrlauf zuzustoßen. Es folgten drei Schläge dicht aufeinander, und die Tür sprang auf. Sofort hob Nicky die Taschenlampe. Der Lichtstrahl tanzte über Lehnstühle und den riesigen Spieltisch, und dann sah sie, dass einer der Fensterläden nicht richtig geschlossen war. Er schlug im Wind immer hin und her.
Da auf diese Weise auch Tageslicht hereinfiel, machte sie die Taschenlampe aus. Das schwere Gewehr setzte sie ab. Es wäre besser gewesen zu verschwinden – sich in den Polo zu setzen und wegzufahren und mit allem, was sie herausgefunden und beim Karneval durchgestanden hatte, zur Polizei zu gehen. In diesem verfluchten Haus würde sie nichts weiter entdecken.
Sie betrachtete Catherines Weidenbaum-Bild, auf das gerade ein Strahl grauen Lichts fiel, und erinnerte sich, wie sie unter den Blätterbaldachin des echten Weidenbaums geflüchtet war, um sich zu besinnen, nachdem Adam sie das erste Mal mit seinem Verhalten hatte stutzig werden lassen. Da hätte sie gehen sollen. Unter der sengenden Sonne hätte sie einfach über den Rasen davongehen und verschwinden sollen!
Der Rasen.
Sie machte einen Schritt vorwärts. Die Hauptsache auf dem Bild war die Weide, aber im Vordergrund erstreckte sich ein blassgrüner Streifen Rasen. Hatte Adam nicht gesagt, dass dies ihr letztes Bild gewesen war? Sie ging hinüber und berührte die Leinwand in ihrem schweren, reich verzierten Rahmen. Der Fensterladen schwang zu, und es wurde dunkler im Raum.
Ein paar Stunden zuvor hatte Lawrence erklärt, Adam suche nach etwas, das nicht da sei. Hatte Adam die Notiz seiner Mutter zu wörtlich genommen? Sie tastete die Ecken des Bildes ab. Das war lächerlich, dessen war sie sich bewusst, aber sie tat es trotzdem. Als Nächstes versuchte sie, das Bild leicht von der Wand wegzuheben, aber das ging nicht. Offenbar war es wegen des enormen Gewichts jeweils auf halber Höhe des Rahmens mit einer Schraube befestigt. Sie bekam nicht mal den kleinen Finger zwischen Wand und Rahmen. Vielleicht konnte sie mit einem Werkzeug in dem Zwischenraum stochern?
Plötzlich erschien ihr das extrem wichtig. Sie richtete den Strahl der Taschenlampe auf den Bücherschrank und suchte zwischen Vasen und alten Leinenbänden nach einem Gegenstand, der in etwa die Form eines Lineals hatte, fand aber nichts Geeignetes. Dann ging sie in die Diele und überlegte noch, wo sie als Nächstes suchen sollte, als ihr Blick auf das gerahmte Foto von Catherine fiel. Sie nahm es aus dem Rahmen und benutzte die Pappe, die Catherine zwanzig Jahre lang gestützt hatte, um den Raum zwischen Wand und Bilderrahmen abzusuchen. Nahe der einen Ecke stieß sie tatsächlich auf ein Hindernis, schob nach, hörte Tesafilm reißen, und dann erschien eine Ecke braunen Papiers. Nicky zog daran.
Es war ein stiller, grauer Nachmittag. Greg fror in dem T-Shirt, das schon lange nicht mehr zur Stimmung passte. Binnen sechs Stunden war der Herbst über das Land gekommen, die Temperatur war auf zehn Grad gesunken.
Der namenlose Mann saß auf der Rückbank, ein stummer, todbringender Passagier. Eine Waffe hatte Greg nicht gesehen, aber das brauchte er auch nicht. So oder so war sie da, irgendwo, die Kraft, die seinem Leben ein Ende setzen konnte. Er hielt sich für einen erfahrenen Schauspieler – so lange hatte er im täglichen Leben Rollen gespielt –, aber der Part heute war der schwierigste von allen. Sowie er die Tür aufgemacht und den Typen so nonchalant an seinem BMW
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