Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)
nicht irrte: Das war ein Auto.
Greg fuhr über den Kiesweg auf das Haus zu. Da war die Flügeltür, der Haupteingang, immer noch im selben Flaschengrün gestrichen. Dort hatte sie gestanden in ihrem weißen Kleid und mit der Ferse einen Türflügel zugedrückt, während er sich mit dem klemmenden Schloss abmühte. Ihre braungebrannten Füße waren nackt gewesen, mit rosa Lacktupfen auf den Nägeln. Er hatte ihren Knöchel gepackt. Jetzt hallte ihm ihr Lachen durch den Schädel. Ihm wurde schlecht. Er nahm den Fuß vom Gas.
»Nicht anhalten«, sagte der Mann von hinten.
Aber Greg war in einer Art Trance. Er stieg aus. Wie oft hatte Liz gesagt, dass ihm kein Vorwurf zu machen sei? Dass er wegen Catherines Tod kein schlechtes Gewissen zu haben brauche? Aber er hatte es eben doch, immer gehabt, egal, was Liz sagte. Er hatte sich nie davon frei machen können, und das hatte alle seine späteren katastrophalen Beziehungen geprägt.
Er stand einfach da und lauschte. Leichter Regen fiel ihm ins Gesicht. An diesem Ort herrschte eine ganz eigene Art von Stille, die von den gelegentlichen Unterbrechungen durch röhrende Flugzeuge nur noch verstärkt wurde. Ein Vogel erhob sich mit einem klagenden Schrei und flog über die Wiesen davon. Mit seinen Eltern hatte er in einer Sackgasse gewohnt, in der ständig Motoren heulten und Garagentore quietschten – danach hatte der totale Frieden hier draußen für ihn eine große Anziehungskraft gehabt. Diese unbeschreibliche Stille. Liz hatte sie einmal verächtlich den Klang des Geldes genannt, aber das war es nicht. Es war der Klang seiner Jugend, und er würde ihn nie wiederfinden.
Was hatte er in jenem Sommer für größenwahnsinnige Vorstellungen gehabt – von seinen Möglichkeiten, vom Leben, von der Liebe …
»Steigen Sie wieder ein.« Der Mann stand an der offenen Wagentür.
Greg gehorchte, fuhr bis vors Haus und parkte neben der grünen Flügeltür.
Nicky handelte schnell, aber vorsichtig. Sie steckte das Foto ein, stellte den Rahmen mit dem Bild von Catherine zurück auf den Schreibtisch, nahm das Gewehr und ging zur Treppe. Auf halbem Weg hörte sie, wie jemand versuchte, die Vordertür zu öffnen. Also jemand, der das Haus nicht kannte. Sie ging leise nach oben, trat an das Fenster auf dem Treppenabsatz, das weder Fensterladen noch Jalousie hatte, und sah Greg und Crashman, Seite an Seite. Plötzlich spürte sie die gleiche schreckliche Angst, die sie bei ihrem Sprung vom Gerüst gehabt hatte. Und dann kam, noch schlimmer, die Erinnerung an Grace, an das Gewicht der Toten, daran, wie sie sie durch das schwarze Wasser geschleppt und um Hilfe gerufen hatte, so laut sie nur konnte.
Sie umklammerte den Gewehrkolben. Damals hatte sie versagt, hatte Grace nicht retten können. Noch einmal würde das nicht passieren. Wut packte sie. Dass Greg das fertiggebracht hatte – den trauernden Witwer zu spielen, wo er Grace’ Tod selbst veranlasst hatte! Ihr Mann tötete jede Frau, mit der er zusammen war. All die Jahre war er damit davongekommen, und seine Schwester deckte ihn! Sie hörte die Hintertür gehen.
Mit wenigen Schritten war sie bei der Tür zu dem versteckten Raum und trat ein. In der Kammer war es düster. Sie stellte sich hinter den Ritter, entfernte das Stück Holz mit den aufgemalten Augen und schaute hinaus auf den Treppenabsatz. Endlich bin ich Herrin der Lage, dachte sie.
Weshalb sie, als aus dem dunklen Raum hinter ihr eine Hand vorschnellte und ihr den Mund zuhielt, fassungslos war. Hatte sie denn alles komplett falsch verstanden?
49
D etective Inspector Jenny Broadbent betrachtete die beiden weißen Kartons im Haushaltwarenregal des ASDA -Supermarktes.
»Der hier hat so ein Gitterdings zum Rausziehen«, sagte sie.
Isla antwortete nicht. Sie lehnte am Regal, einen Fuß auf dem untersten Bord, so dass ein Wok jeden Moment herunterzufallen drohte, und schrieb eine SMS .
»Und der hier hat was, das sich ›Auftaufunktion‹ nennt.«
Keine Antwort.
»Isla!«
Isla drückte »Senden«, drehte sich um und sah ihre Mutter blinzelnd an.
»Das sind doch nur Toaster, Mama. Nimm irgendwas!«
»Irgend
einen.
« Ihr Handy klingelte. »Geh, such eine Grillzange«, sagte sie und wedelte mit der Hand.
Geballte Langeweile verströmend, schlurfte Isla den Gang hinunter. Die Auswahl ist zu groß, dachte Jenny, es gibt immer zu viele Möglichkeiten. Das zog einen runter, lenkte ab, hinderte einen am klaren Denken.
»Hallo?«
Sondra.
»Was
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