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Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)

Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)

Titel: Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ali Knight
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geschossen?«
    Sein Gesicht war wächsern, seine Lippen blutleer, aber noch klammerte er sich ans Leben. Jenny sah, dass er in einer letzten großen Anstrengung die Lippen bewegte.
    »Bleiben Sie wach, ich bin bei Ihnen!« Sie hörte Sondra telefonieren und alles Nötige veranlassen. »Wer war das?«
    Wieder öffnete der Mann den Mund und flüsterte etwas, doch sie verstand es nicht. Sie beugte sich noch dichter über ihn und bat ihn, es zu wiederholen.
     
    Ein lautes Dröhnen erfüllte Troys Schädel, verstärkt noch durch die Rhythmen einer Sambaband. Es war der Lärm von Tausenden zusammengedrängten Menschen, die sich durch eine Straße von Westlondon schoben. Das Letzte, was er sah, bevor er starb, war eine Gestalt, die mit wehendem blondem Haar über ihn hinwegflog. Nicky, die sich von dem Gerüst abstieß und, die Beine gestreckt und mit den Armen rudernd, über dem tosenden Karneval dahinsegelte.
     
    Jenny sah, wie der Mann noch einmal Luft holte und dann endgültig erschlaffte. Sie starrte auf ihn hinunter. Hatte er »Nicky« gesagt? Vielleicht, aber sicher war sie sich nicht. Und in diesem Job war es wichtig, sich sicher zu sein. Sie spürte die Frustration in sich aufsteigen, die sie immer befiel, wenn sie zu spät gekommen waren. Langsam erhob sie sich und sah sich das Gewehr an, das nicht weit entfernt auf dem Boden lag. An einem Bauchschuss zu sterben war gemein. Sie fing Sondras Blick auf. Wo war Nicky? Schon machte sich ein ungutes Gefühl in ihr breit, die Sorge, sie könnten gleich noch einmal zu spät kommen.
    Sie durchsuchten eilig auch das obere Stockwerk, fanden aber niemanden.
    Unten schaute Jenny sich ebenfalls noch einmal in allen Räumen um, und dann folgte sie Sondra nach draußen. Die junge Kollegin stand am Küchenfenster und starrte ins Leere.
    »Alles okay?«, fragte Jenny.
    Sondra antwortete nicht.
    Jenny begriff, dass das Sondras erster Toter war. Als Initiation nicht gerade ideal. Er hatte vermutlich fast eine Stunde lang große Schmerzen gehabt. Sie klopfte Sondra auf die Schulter.
    »Mit der Zeit wird es einfacher.«
    Sondra sah sie überrascht an. »Mir geht’s gut! Ich dachte nur gerade …« Sie verstummte und ging ein paar Schritte vom Haus weg. »Aus Adam Thorntons Aussage wissen wir, dass die Tür vorn nicht aufgeht, also würde doch jeder, der das Haus kennt – Nicky eingeschlossen –, hier bei der Hintertür parken, oder?« Sie bückte sich und sah sich den Kies genauer an. »Deshalb glaube ich, dass Nicky nicht mit dem Auto gekommen ist, das vorn steht.«
    »Weiter?«
    »Die Spuren hier.« Sie zeigte auf vier lange Rinnen im Kies, die nach ein paar Metern endeten. »Merkwürdig, oder? Da ist irgendwas Schweres zur Hintertür rausbugsiert und über den Boden gezogen worden. Und dann hören sie plötzlich auf, so als wäre da was in …«
    »Ein Auto.«
    Sondra nickte. »… in ein Auto gehoben worden. Leichen sind schwer …« Sie zuckte die Achseln. »War nur so ein Gedanke.«
    Jenny fluchte und holte ihr Handy hervor.

52
    L iz hatte mit einem ungewohnten Gefühl zu kämpfen: Unschlüssigkeit. Sie war ein Schwarz-Weiß-Mensch, jemand, der sich mit moralischen Absolutheiten wohl fühlte. Sie mochte Leute oder mochte sie nicht, ließ sie abblitzen oder umarmte sie, glaubte ihnen oder eben nicht, doch jetzt nagte etwas völlig Fremdes an ihr. Stimmte, was Nicky sagte? War Greg nicht der, den sie immer in ihm gesehen hatte? Die Vorstellung, dass sie falschgelegen haben könnte, erschreckte sie, wo sie doch immer so von sich überzeugt gewesen war und sich gesonnt hatte in dem Gefühl, dass ihr Standpunkt der richtige sei.
    Nach einigen Stunden erfolgloser Suche war sie zu den beiden nach Hause gefahren, doch er war nicht mehr da gewesen. Weder Nicky noch Greg waren ans Telefon gegangen, und so hatte sie schweren Herzens eine Entscheidung getroffen, an der sie nicht vorbeikam. Sie hatte bei der Polizei angerufen und gesagt, was Nicky ihr erzählt hatte, und dann war sie Nickys Hinweisen gefolgt und nach Hayersleigh gefahren. Jetzt wurde sie schon an dem großen Tor zum Grundstück von einem Polizisten aufgehalten. Da musste ja irgendwas los sein, wenn schon am Eingang ein Beamter Wache schob.
    »Hier können Sie nicht durch, Madam«, sagte er.
    Liz warf dem Mann, der in einer viel zu großen Uniform steckte, einen vernichtenden Blick zu. Er sah fast noch aus wie ein Teenager. Liz’ Leben war ein unablässiger Kampf für die gerechte Sache gewesen: während der Jahre

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