Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)
paar Schritte entfernt stand Lawrence Thornton, ein Gewehr in der Hand.
»Wo ist Nicky? Wo ist Nicky?«, schrie Greg wieder und wieder, aber er hörte sich immer noch nicht. Als der Rauch sich allmählich verzog, sah er den Anflug eines Lächelns auf Thorntons Gesicht.
50
D iesen Augenblick – da der Mistkerl, der sein Leben zerstört hatte, ihn auf Knien anwinselte – hatte Lawrence sich oft ausgemalt. Er hatte einen großen Kerl in Erinnerung, selbstbewusst, ehrgeizig und naiv. Eifersucht verzerrte den Blick, das stellte er jetzt fest. Es war ihm eine Freude zu sehen, dass die Gestalt, die da vor ihm auf dem Teppich kauerte, mit der Bedrohung aus der Vergangenheit keinerlei Ähnlichkeit hatte. Seine Aktionen hatten Wirkung gezeigt, und diese Tatsache spendete ihm einen gewissen Trost.
»Wo ist Nicky?«
Der Schuss war verhallt, Gregs Stimme deutlich zu hören. Lawrence setzte ihm den Gewehrlauf an die Brust.
»Du wirst nicht schießen. Das wäre zu einfach. Hast du sie umgebracht?«
Lawrence ließ die Waffe sinken. »Noch nicht.«
»Wo ist sie?«
»Ich bringe dich zu ihr. Zu meinen Bedingungen.«
Greg stöhnte. »Idiot!«
»Wir werden ein kleines Spiel spielen, Greg.«
»Hast du Francesca ermordet? Sag schon!«
»Du erinnerst dich doch bestimmt an das Thornton-Familienspiel. Ich weiß, dass sie es mit dir gespielt hat.«
»Du hast Grace umgebracht, richtig?«
Lawrence musterte Greg, wie er da, keuchend und zitternd vor Angst, auf dem Boden hockte. Die Erkenntnis, was ihm und seinen Frauen angetan worden war, hatte sein Gesicht zu einer verzweifelten Maske erstarren lassen. Und er, Lawrence, fühlte sich allmächtig. Großer Frieden kam über ihn. Die Rechnung ging auf. Er hatte seine Vergeltung gehabt, und er hatte es für sie getan.
»Das Ritterspiel, das war doch immer lustig, was, Greg? Hier oben auf dem Treppenabsatz stehen, die Augen schließen und das Geheimversteck finden.«
Lawrence betrat die kleine Kammer und griff sich, ohne Greg aus den Augen zu lassen, eine Flasche und ein Stück Mull.
»Und jetzt schließ die Augen, sonst stirbt sie, und dann findest du sie nie.«
»Und das alles, weil ich mich in deine Frau verliebt habe?«
»Du hast Cathy umgebracht.«
»Ja, das habe ich, und ich bezahle mein Leben lang dafür!«
Greg, der immer noch auf dem Boden hockte, starrte hinauf zu dem Gewehr. Die doppelläufige Mündung kam ihm riesig vor, wie ein Ungetüm, das im Begriff war, ihn zu verschlingen. Doch zugleich fühlte er sich absurderweise befreit. Das verdankte er Nicky. Sie war diejenige, die immer weiter nachgeforscht und Lawrence dazu gebracht hatte, seine Deckung aufzugeben. Sie hatte für Klarheit gesorgt und die unheimlichen Rätsel seines Lebens gelöst.
Er selbst war so beschäftigt gewesen mit seiner bitteren Reue und dem ewigen Verleugnen, dass er gar nicht in der Lage gewesen war zu erkennen, wozu der hintergangene Ehemann sich hinreißen ließ. Voller Liebe dachte er an seine Frau. Und wusste, wenn er damit auch nur ein bisschen Zeit für sie gewinnen konnte, würde er sich dieses Stück Mull notfalls auch selbst aufs Gesicht drücken.
51
J enny und Sondra hielten vor dem Haupteingang von Haus Hayersleigh, neben einem BMW , stiegen aus und sahen sich um.
»Ist das das Auto von Nicky?«, fragte Sondra.
»Oder vom Ehemann«, antwortete Jenny.
Während sie zur Rückseite des Hauses gingen, begann ein Flugzeug, ihnen seinen Motorenlärm in den Schädel zu bohren. Jenny sah, wie Sondra den Kopf in den Nacken legte und dem Schatten über ihnen tonlos einen deftigen Fluch hinterherschickte.
Jenny klopfte ein paarmal an die Hintertür, und als niemand kam, probierte sie es so. Die Tür ging auf, sie traten ein.
»Ist hier jemand?«, rief sie. »Polizei!«
Keine Antwort. Sie gingen weiter, in die Diele, wo Jenny stehen blieb und schnupperte. Es war eine schwache, vertraute Note. Sie schnupperte noch einmal. Schießpulver.
Zwei Stufen auf einmal nehmend, stürmte sie die Treppe hinauf und rief dabei mehrmals Nickys Namen. Sondra war direkt hinter ihr.
Als Erstes sah sie das Blut, einen breiten, gebogenen Streifen an der Wand und einen größeren Fleck an der Fußleiste, und dann entdeckte sie den weißen Mann, der in einer schnell größer werdenden Blutlache auf dem Boden lag und sich beide Hände auf den Bauch presste. Sie hockte sich neben ihn und beugte sich möglichst nahe zu ihm vor.
»Ich bin Polizistin. Ein Rettungswagen ist auf dem Weg. Wer hat auf Sie
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