Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)
dann wurde ihr Blick wieder so verräterisch leer. Sie kapierte es einfach nicht. Aber wie sollte sie auch? Sie ahnte nicht einmal, welche Ausmaße seine Paranoia hatte, und daran würde er bestimmt nichts ändern. Sollte sie doch lachen, wenn er sie drängte, sich auf der Rückbank des Taxis anzuschnallen, sollte sie stöhnen, wenn er an sämtlichen Fenstern im Obergeschoss Schlösser anbringen ließ, die verhinderten, dass sie weiter als ein paar Zentimeter geöffnet werden konnten. Während eines Frankreich-Urlaubs hatte sie ihn sogar einmal angeschrien, nachdem er ein viel schöneres Hotelzimmer abgelehnt hatte, nur weil ein Balkon dazugehörte. Es tat ihm wirklich leid. Er wiegte sich nicht mehr in Sicherheit. Von so etwas wie einem normalen Leben konnte er nur träumen. Das Problem war, dass Nicky glaubte, das Normale in Reichweite zu haben, und immer entschiedener darauf drängte, es auch zu leben. Sie reagierten sehr unterschiedlich auf das, was Grace zugestoßen war. Nicky hatte es zusehends satt, dass sie etwas, das ihr wichtig war, aus Angst vermieden.
Er war ein verdammter Idiot. Die Feinheiten bekam er vielleicht nicht mit, aber das Wesentliche verstand er schon. Sie wollte über das große Ganze reden, über das, was sie miteinander verband, über ihre Liebe, darüber, wohin es mit ihnen ging, wie es um ihre Ehe stand. Luxus, dachte Greg. Ich habe gar nicht die Zeit, darüber nachzudenken. Ich erlaube mir nicht, darüber nachzudenken. Ich arbeite, ich mache Druck, ich arbeite noch mehr, ich habe Erfolg. Und er fragte sich, wie erfolgreich er sein musste, um für die Dinge, die ungesagt blieben, entschädigt zu werden.
Es klingelte erneut, und er zuckte zusammen, als fühle er sich bei unpassenden Gedanken ertappt. Er zog Nicky an sich, nahm sie in die Arme, und all das Ungesagte schwirrte um sie herum. »Ich liebe dich, liebe dich, liebe dich«, sagte er, nahm ihr Haar zum Pferdeschwanz zusammen und wickelte es sich um die Hand.
»Das musst du mir zeigen, Greg.«
Er drehte sie, umklammerte sie fest, hob sie hoch, wirbelte sie herum und brummelte etwas in ihren Nacken. So konnte sie sein Gesicht nicht sehen, seine Verzweiflung, seine Hoffnungslosigkeit. Er spürte, wie sie sich in seinen Armen entspannte. Jetzt schaffte er das nicht. Er gab ihr einen Kuss auf die Nasenspitze, und Nicky schwieg, als er ging. Stufe für Stufe holperte die Reisetasche hinter ihm her. Er öffnete die Wagentür und schaute sie noch einmal unsicher an, bevor er einstieg. Sie stand auf der obersten Stufe der Außentreppe, die Arme verschränkt, als wolle sie sich schützen. Im Licht der Abendsonne sah sie umwerfend aus. Frauen, dachte er: die Liebe und die Tragödie seines Lebens. Sie hatten nicht miteinander geredet. Das Taxi fuhr an, und er sah noch, wie sie die Tür schloss.
An der Ecke schaute er noch einmal zurück, um sich zu vergewissern, dass sie nicht mehr dastand. Dann streifte er den Ehering ab und steckte ihn in die Tasche. Es war eine feste Gewohnheit. Das tat er immer, sowie er aus dem Haus ging.
6
D unkel erinnerte Troy sich an einen Rolling-Stones-Song, in dem St. John’s Wood vorkam, aber der Text fiel ihm nicht ein. Stattdessen dachte er in dem Kingsize-Bett über Mick Jagger nach, darüber, mit wie vielen Frauen der wohl geschlafen hatte. Als Nächstes versuchte er, seine eigene Strichliste zu führen. Troy hatte Ehrgeiz, aber die Frau, die da in der Küche unentwegt auf den Hund einredete, brachte ihn beim Zählen durcheinander. Das nervte. War sie die älteste, die er je gehabt hatte? Bei weitem nicht. Die reichste? Sie hatte eine St.-John’s-Wood-Adresse, aber es war nur eine Wohnung. Er stützte sich auf die Ellbogen und konzentrierte sich auf das, was anlag. Die reichste war sie nicht, aber er würde dafür sorgen, dass sie die lukrativste war.
Er zog die Nachttischschublade auf. Die Rolex funkelte ihn an. Schnell ging er hinüber zu ihrem Frisiertisch, öffnete dort die rechte Schublade (am Abend hatte er beobachtet, dass sie Rechtshänderin war, also konnte er davon ausgehen, dass sie wertvolle Dinge auf der rechten Seite aufbewahrte) und verschaffte sich einen Überblick. Mehrere Ringe mit kleineren Steinen, ein paar kitschige Ketten im orientalischen Stil, nichts von Bedeutung. Sie musste einen Safe haben, irgendwo. Hastig scannte er die Bilder an der Wand. Hinter welchem war er versteckt?
»Zucker?«, rief sie. Er hörte Tassen klappern und die Kühlschranktür mit einem Schmatzen
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