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Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)

Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)

Titel: Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ali Knight
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und wich einen Schritt zurück. Er war verrückt. Da würde sie nicht langgehen.
    Aus dem Dunkel trat Adam, kam auf sie zu und streckte ihr die Hand entgegen. »Komm!«
    »Das mache ich nicht. Das ist Blödsinn.«
    »Willst du das Graffito sehen oder nicht?«
    »Ja, aber ich will auch am Leben bleiben.«
    Ein Zug kroch vorbei, das Tempo für die Einfahrt in den Bahnhof Charing Cross deutlich gedrosselt. Adam hatte so von dem großen Bild eines angesagten neuen Graffiti-Künstlers geschwärmt, dass sie sich hatte anstecken lassen und schließlich bereit gewesen war, sich am Fluss mit ihm zu treffen, damit er ihr es zeigen konnte. »Der neue Banksy« hatte sein Werk an eine Brücke über der Themse gemalt. Als ihr jetzt aufging, wie sie dorthin gelangen würden, überlegte sie es sich anders. So was machten Zwanzigjährige, aber keine verheirateten Frauen jenseits der fünfunddreißig.
    »Es ist absolut sicher. Was meinst du denn, wie der Künstler dahin gekommen ist, um zu malen?« Dagegen war nicht viel zu sagen. »Komm schon!«
    Er griff nach ihrer Hand. Sie mochte es, ihre in seiner zu spüren. Es war ihr erster längerer Körperkontakt, und sie wollte, dass er noch eine Weile anhielt. Über Pendler-Abfälle hinweg und vorbei an Werkzeugen, Tonnen und Kisten, die Gleisarbeiter zurückgelassen hatten, gingen sie an den Schienen entlang. Ein weiterer Zug rollte vorbei.
    Als sie die Brücke erreichten und ins Helle kamen, fragte Nicky: »Wie geht es jetzt weiter?«
    »Vertrau mir einfach, und du machst nichts verkehrt.«
    Sie traten hinaus auf die Brücke und schauten auf die unzähligen verschlungenen Gleise, die in der Sonne blitzten, in Richtung Waterloo East abbogen und sich in der Ferne verloren. Wieder war ihr angst und bange, als sie sich klarmachte, wo sie standen. Dies war einer der am stärksten frequentierten Bahnhöfe Europas, hier fuhren unaufhörlich Züge ein und aus.
    »Woher kennst du diese Stelle?«
    »Einmal habe ich abends auf der Straße einen Graffiti-Künstler erkannt. Dem bin ich gefolgt und hier gelandet.« Er umfasste ihre Hand fester. »So, und jetzt gehen wir rüber.«
    »Rüber?« Nicky meinte sich verhört zu haben. Eine Haupt-Bahntrasse überqueren? Sie blickte abwechselnd in beide Richtungen. Züge glitten vorbei, wechselten an Weichen die Gleise, fuhren mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Sie kam sich vor wie in einem abgedrehten Computerspiel. Es war komplett verrückt. »Nein. Wir können da nicht rüber.«
    »Komm schon, Nicky!«
    »Ich bin nicht Lara Croft, verdammt.«
    »Aber du hast Potenzial. Gut möglich, dass es dir Spaß macht.«
    Wenn sie ehrlich war, musste sie sich eingestehen, dass sie genau wusste, was er meinte. Seine Verachtung für alles, was sicher war, seine Sehnsucht nach dem Kick, nach Gefahr, diese Suche nach dem nächsten Adrenalinstoß – etwas in ihr sprach darauf an.
    »Zurück!« Ein Zug fegte an ihnen vorbei, so nahe, dass sie den Fahrtwind auf der Wange spürte. Adam schob sie gegen die Metallstreben der Brückenbrüstung.
    Grace’ Tod hatte Nicky um die Überreste ihrer Jugend gebracht. Sie war hinübergeglitten in eine Welt, in der überall unaussprechliche Schrecken lauerten, in der nichts ungefährlich war und folgenlos blieb. Sie liebte Greg, und zugleich holte Adam die Spontaneität und Abenteuerlust ihrer jungen Jahre wieder an die Oberfläche. Ein nur halb gelebtes Leben wollte sie nicht. Sie holte tief Luft.
    »Ich bin dabei.«
    Adam nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände. »Du wirst es nicht bereuen«, schrie er, während ein Zug schwankend vorbeifuhr. »Geh immer hinter mir her.«
    Er machte die ersten Schritte über die Schienen hinweg.
    »Was ist mit dem dritten Gleis …«
    »An die Gleise selbst sollst du
gar nicht
kommen«, unterbrach er sie.
    Die Schienen lagen weiter auseinander als gedacht, und die andere Seite schien endlos weit weg. Nach etwa einem Drittel der Strecke kam die Angst zurück und machte sich in ihr breit. Sie hörte das Scheppern, wenn Weichen umsprangen, das Summen der Eisenschienen. Den Blick zu heben wagte sie nicht – aus Sorge, sie könnte in Panik geraten und blindlings draufloslaufen. Nicht auszudenken, wie gefährlich das wäre! Sie klammerte sich an Adams Hand, ihre knochige Rettungsleine. Als sie endlich drüben waren, wankte sie ein paar Schritte über den Schotter, der neben den Gleisen aufgeschüttet war. Ihr Herz raste. Adam ging voran, hinaus über den Fluss, und sie hielt seine Hand eisern fest.

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