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Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)

Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)

Titel: Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ali Knight
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gestrichenen Wänden hingen mehrere großformatige Hochglanzfotografien, die ausladende Baumkronen zeigten. Nicky hatte etwas ganz anderes erwartet. Sie hatte sich ein altmodisches Stadthaus vorgestellt, mit Polstermöbeln, Lederbänden im Regal und gemusterten Tapeten, doch Adams Vater schien auf die Konventionen seiner Altersgruppe und Gesellschaftsschicht zu pfeifen. Eine elegante dunkelhäutige Frau um die sechzig in gelben Flipflops und einem abstrakt gemusterten Rock war an der Kochinsel mit einem Wasserkessel beschäftigt, und am Esstisch saß jemand unter einem roten Handtuch verborgen.
    »Vater, das ist Nicky. Nicky, das ist Lawrence.«
    Lawrence winkte ihr zur Begrüßung zu, blieb jedoch mit dem Kopf unter dem Handtuch. Eine Wolke strengen Wick-VapoRub-Geruchs wehte ihr entgegen.
    »Die verdammten Nebenhöhlen machen mir zu schaffen.«
    »Er macht einen solchen Aufstand deswegen«, sagte die dunkelhäutige Frau, rührte geräuschvoll in einer Tasse, brachte sie zum Tisch und stellte sie Adams Vater hin. »Man könnte meinen, es sei noch kein Mensch jemals krank gewesen.« Eben noch resigniert, klang sie plötzlich aufgeräumt, als sie sich an Nicky wandte. »Ich bin Bridget. Jetzt trinken wir erst mal was! Ich habe gehört, Sie sind Journalistin, also nehme ich an, Sie kippen alles, was Sie vorgesetzt kriegen.« Ihre Augen funkelten.
    Nicky nickte lachend.
    »Im Schrank steht eine Flasche Rotwein«, rief Lawrence unter dem Handtuch hervor. »Auf dem Etikett ist ein Pfau. Macht den auf.«
    »Du in deinem Zustand solltest gar nichts trinken«, gab Bridget zurück, ging hinüber zu dem skandinavisch angehauchten Sideboard und öffnete es. Auf Lawrence, der unter seinem Tuch etwas murmelte, achtete sie nicht weiter.
    Nicky war fasziniert. Sie benahmen sich so entspannt, die Wohnung war so schick, die Sonne kam ihr hier wärmer vor, die kleinen Wortgefechte besonders witzig. Ihre eigenen Eltern hatten so selten Gäste, dass es jedes Mal in Stress ausartete: Schüsselchen mit komplizierten Kleinigkeiten wurden hingestellt, ihre Mutter saß steif auf dem viktorianischen Sessel neben den Stores, ihr Vater deckte die Glasuntersetzer mit den Vogelbildern auf. Manchmal, wenn es ihr schlechtging oder sie sich mit ihren Eltern gestritten hatte, dachte Nicky darüber nach, wie ihre echten Verwandten sein mochten. Sie hatte mit niemandem je darüber gesprochen, aber in ihren Tagträumen hatte sie sich immer vorgestellt, dass sie ein wenig so waren wie diese Leute. Ihr Vater war Schadensfallsachbearbeiter, ihre Mutter Teilzeit-Bibliothekarin. Nicky wusste, dass sie anfällig war für die Reize eines Milieus, das ihr interessanter und exotischer erschien als ihr eigenes.
    »Kommen Sie, setzen Sie sich«, sagte Bridget.
    Adam lag halb in einer Ecke des niedrigen grauen Sofas, stützte den Kopf in eine Hand und musterte sie. Sie war unsicher, wo sie sich niederlassen sollte, und zögerte noch, als ein gellender Schrei ertönte. Sie zuckte zusammen. Auf der Schwelle stand eine alte Frau und klammerte sich Halt suchend am Türrahmen fest.
    Laut fluchend schlug Lawrence das Handtuch zurück. »Connie! Jetzt hab ich mich verbrüht!«
    Nicky rührte sich nicht. Die alte Frau starrte sie feindselig an. Sie spähte zu Adam hinüber. Er hatte sich aufgerichtet, zog die Schultern hoch und fixierte seine Tante. Unangenehmes Schweigen machte sich breit.
    »Sehr erfreut, Sie kennenzulernen«, brachte Nicky schließlich hervor und knetete ihre Hände.
    Sie schaute zu Lawrence hinüber und bemühte sich zu lächeln. Sein Gesicht war krebsrot vom Dampfbad, Wassertröpfchen hingen an seinen Brauen, die im Vergleich zum grauen Schopf erstaunlich dunkel waren. Er wirkte benommen.
    »Puh, mir ist schwindlig«, sagte er und befühlte seine Stirn.
    »Bleib einfach einen Augenblick sitzen, dann geht’s dir gleich wieder gut«, ordnete Bridget sachlich an und ging zu Connie hinüber. »Das ist Nicky«, erklärte sie und nahm die alte Frau beim Arm.
    Connie schüttelte sie ab. Sie war groß und schlank, trug eine teuer aussehende, weite rote Hose und ein Shirt mit Blumenmuster. An den mageren Fingern saßen mehrere dicke Goldringe, und ihr Haar war gefärbt, nussbraun glänzte es in der Abendsonne. Lediglich das eine Auge deutete auf ihren schlechten Gesundheitszustand hin. Die Iris war ganz nach außen gerutscht, sicher die Folge eines ihrer Schlaganfälle. Dadurch wirkte sie merkwürdig schief.
    »Sie beißt nicht«, fügte Adam hinzu und kam

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