Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)
bist!«
Und das Schlimmste war, dass Nicky nicht einmal hätte widersprechen können. All das Gezeter, der Hass und die Eifersucht hatten einen wahren Kern: Adam hatte tatsächlich einen Plan verfolgt. Er hatte es darauf angelegt, sie zu treffen, hatte es so arrangiert, dass sie im Flugzeug nebeneinander saßen. Dann hatte er sie nach ihrem Sturz in den Fluss gerettet, und vielleicht hatte er sie auch vor Struan Clarke gerettet. Natürlich war es unrecht gewesen, sie in dem Haus festzuhalten und zu verstecken – aber wovor hatte er sie versteckt?
Ihr kam ein so schrecklicher Gedanke, dass sie mitten im Gehen erstarrte. Die Passanten um sie herum schienen plötzlich alle viel schneller zu werden. Hatte Adam sie vor ihrem eigenen Mann gerettet?
Dem Mann, der zwei Blondinen verloren hatte.
Zorn packte sie. Sie würde herausfinden, warum. Sie würde es herausfinden. Ihre Schritte auf dem aufgeheizten Fußweg hallten vor Entschlossenheit wider.
36
M aria hatte den Summer gedrückt und erwartete sie, eine knallbunt geblümte Schürze über dem Sommerkleid, an der Wohnungstür. Ihre finstere Miene war eine einzige Frage: Was ist so wichtig, dass es nicht bis nächste Woche Zeit hat? Dennoch riss sie die Tür weit auf und bat Nicky herein.
»Gut, das du angerufen hast – na ja, so können wir zusammen essen!«
War Maria zu Hause, kochte sie, und sie kochte hervorragend. Ihre Eltern stammten aus Kalabrien. Dank dieses Hintergrunds hegte sie eine Wertschätzung für und eine Expertise über Zutaten aller Art, neben denen Nickys Kochversuche sich allenfalls amateurhaft ausnahmen.
»Es riecht göttlich. Was ist das?«
Maria lachte. »Wusstest du schon, dass Leute, die mich besuchen, immer zur Essenszeit auftauchen? Mit Rosinen gefüllte Sardinen. Klingt eklig, schmeckt himmlisch.«
»Brauchst du Hilfe?«
Maria bedachte sie mit einem mitleidigen Blick, der sagte: Beleidige den Meister nicht. »Man muss die Rosinen einweichen, um die Süße rauszukriegen. Englische Rosinen eignen sich dafür nicht so.«
Nicky lächelte. Zutaten aus einem englischen Supermarkt waren minderwertig, fade, matschig – das konnte sie sich von Maria gesagt sein lassen.
Plötzlich empfand sie eine große Erschöpfung und ließ sich auf den Stuhl neben Marias kleinem Küchenfenster sinken. Die Geranien in den Blumenkästen wiegten sich träge im lauen Abendwind. Marias Wohnung war winzig, hatte aber perfekte Proportionen – ein bisschen wie Maria selbst.
»Na los, spuck’s aus«, sagte Maria freundlich, während sie eine Flasche Weißwein aus dem kleinen Kühlschrank holte. Sie war Mitte vierzig. Freundin, Kollegin – und dafür bekannt, dass sie nicht nur gutes Essen, sondern auch gute Ratschläge großzügig verteilte.
Und so erzählte Nicky, während Maria Rosinen in einer mit warmem Wasser gefüllten Pressglasschüssel schwenkte, alles: wie sie in den Fluss gestürzt war, was bei Adam im Haus vorgefallen war, wie sie ihre Aussage bei der Polizei zurückgezogen und eine neue gemacht hatte, wie das Gespräch mit Bea verlaufen war und – als neueste Erkenntnis – dass sie Adam nicht zufällig kennengelernt hatte. Als sie fertig war, saß Maria ihr mit vor Schreck offen stehendem Mund an dem kleinen Kaffeehaustisch gegenüber. Die Rosinen waren vergessen.
»Wo ist das Foto?«
Nicky holte es aus der Handtasche und legte es auf den Tisch.
Maria warf nur einen flüchtigen Blick darauf. »Sag mal, spinnst du?«
»Wie bitte?«
»Du lässt diesen Kerl ziehen? Du hast eine neue Aussage gemacht, und jetzt läuft der frei herum und kann sich entweder dich wieder vorknöpfen oder eine andere!«
»Ich weiß, es klingt verrückt, aber ich glaube, hinter der Geschichte steckt noch mehr. Und ich muss rausfinden, was …«
»Nicky! Hör dir doch mal zu!« Als Maria merkte, in welchem Ton sie selbst sprach, schüttelte sie den Kopf. »Gott, Nicky, entschuldige, es tut mir so leid. Du hast schreckliche, traumatische Tage hinter dir. Ich finde entsetzlich, was du durchgemacht hast! Das ist nicht richtig – und schon gar nicht gerecht. Du bist von einem machtversessenen …« Sie rang um das richtige Wort. »… Fanatiker gekidnappt und psychisch gefoltert worden. Wir müssen jemanden suchen, der dir helfen kann. Vielleicht einen Therapeuten.«
»Ich …« Nicky fehlten die Worte. »Aber er hat mich vor diesem Einbrecher gerettet …«
»Du hast gesagt, er hätte mit dem Mann gesprochen!«
»Ich … ja, aber …«
Maria
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