Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition)
solltest. Ich habe versucht, Kompromisse zu machen und so lange wach zu bleiben, wie mir das körperlich möglich ist. Ich habe gehofft, das genügt. Aber …«
»Nichts aber! Es genügt eben nicht , Cynthia. Ich will mit jemandem zusammen sein, der so ist wie ich. Mit einer Frau, die da ist, wenn ich sie brauche, auch wenn das um vier Uhr früh der Fall ist. Mit einer, die versteht, dass sich die Zeiten ändern. Und zwar zum Besseren, wenn du mich fragst. Mit einer, die meine Begeisterung teilt. Die mein Leben, meine Gefühle teilt. Und so leid es mir tut: Wenn du das nicht sein willst, dann …« Er zuckte die Achseln und sah auf einmal traurig statt wütend aus.
Es war wie ein Schlag in die Magengrube. Der Raum schien jede Farbe zu verlieren, plötzlich war alles nur noch grau in grau und ohne jedes Leben. »Willst du mir allen Ernstes erzählen, dass es mit uns aus ist, wenn ich nicht sofort Shifter werde? Einfach so?«
»Was heißt hier ›einfach so‹? Wir führen dieses Gespräch so oder so ähnlich schon seit Monaten. Ich bin es langsam müde. Du nicht auch?«
Sie stieß ein krächzendes Lachen aus, das sich eher anhörte wie ein Schluchzen. »Ja, das bin ich. Im wahrsten Sinne des Wortes. Aber genau das ist ja das Problem, scheint mir.«
»Ja«, sagte er leise. »Ich denke schon.« Er nahm ihre Hand und drückte sie. »Leb wohl, Cynthia.« Dann ging er. Sie rutschte von ihrem Barhocker, lief ihm nach, packte seinen Arm und zwang ihn, sie anzusehen. Die Musik schien lauter geworden zu sein: ein unablässiges Stampfen, das sie bis ins Mark erschütterte, ja regelrecht ohrfeigte. Sie sah Damienflehend an und suchte in seinem Gesicht nach dem Mann, der sie liebte und nicht ohne sie leben konnte. »Tu das nicht. Bitte. Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch«, sagte er, und die traurige Resignation in seinem Blick erfüllte sie mit hilflosem Entsetzen. »Aber ich fürchte, das reicht nicht mehr. Ruf mich an, wenn sich irgendetwas ändert.«
»Was soll sich denn ändern?«, wiederholte sie, während ihr die Tränen kamen. Jeder Atemzug schmerzte, und ihre Beine schienen ihr nicht mehr zu gehorchen. »Was meinst du damit?«
Er beugte sich vor und küsste sie sanft auf den Mund. »Du weißt genau, was ich meine«, sagte er. Dann wandte er sich ab, bahnte sich einen Weg durch die Menge und war verschwunden.
PHASE VIER
Es herrscht eine Kluft zwischen denen, die schlafen können, und denen, die es nicht können. Sie ist eine der größten der Menschheit.
Iris Murdoch,
Nuns and Soldiers
23
Dezember
Es war ihre fünfte Verabredung, und Cynthia begann sich langsam zu fragen, ob Nigel auch noch über etwas anderes reden konnte.
»Drei Monate!«, rief er verächtlich. »Ich kann nach wie vor nicht fassen, dass sie dieses Medikament für unbedenklich erklärt haben, nachdem sie gerade mal drei Monate in China waren. Dauern solche Studien normalerweise nicht Jahre?«
Cynthia musterte über den Restauranttisch hinweg ihren Begleiter, der sich gerade auf seine Spaghetti stürzte. Sie zuckte die Achseln. »Sie behaupten, sie hätten Jahre gedauert, und dass die chinesischen Forscher den Großteil der Arbeit für uns erledigt hätten. Dass unsere Forscher ihre Ergebnisse überprüft und abgesegnet hätten. Wenn das wirklich stimmt, wäre es tatsächlich reine Zeit- und Steuergeldverschwendung, unanfechtbare Forschungsarbeiten zu wiederholen.«
Nigel sah abrupt auf. »Du verteidigst diese Entscheidung doch nicht etwa? Ich dachte eigentlich, wir wären einer Meinung, was diese Shitter betrifft.«
Cynthia griff zu ihrer Gabel und stach in ein Stück Brokkoli, wobei sie ein Seufzen unterdrückte. Als sie Nigel auf der Hochzeit einer Freundin kennengelernt hatte, waren seine Shifter-Schmähreden Balsam für ihre Seele gewesen. Bei ihrer ersten Verabredung hatten sie sich bei mehrerenGläsern Wein ausgiebig über die Veränderungen beschwert, die die Shifter mit sich brachten. Cynthia war wie befreit nach Hause gegangen. Bei ihrer dritten Verabredung war sie mit Nigel ins Bett gegangen. Sie hatten sich das ganze Frühstück über gesagt, wie schön es sei, Arm in Arm einzuschlafen, und wie sehr sie die vierundzwanzig Millionen Briten verachteten, die sich gegen diese Erfahrung entschieden hatten. Es hatte sie miteinander verbunden, aber inzwischen war es nur noch ermüdend.
»Nein, ich verteidige sie überhaupt nicht«, sagte sie. »Auch ich halte diese Legalisierung für ziemlich überstürzt. Ich versuche nur,
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