Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition)
kamen so schnell, dass die Infrastruktur hinterherhinkt.«
Der Fahrer hüllte sich in Schweigen.
Cynthia starrte auf das inzwischen dunkle Schaufenster der Buchhandlung. Sie sah, wie sich etwas bewegte, und glaubte das Klirren von Glas zu hören. Sie ließ das Fenster herunter, und wütende Stimmen drangen herein.
»… wag es nicht noch mal, mich anzufassen , du verdammte Schwuchtel!«
»… habe Sie im Dunkeln nicht gesehen … Seien Sie doch nicht gleich …«
»… wie kommst du darauf, meinen Kumpel eine …«
Schemenhafte Gestalten gingen aufeinander los, und Cynthia hörte dumpfe Schläge. Und auf einmal gingen die Lichter an der Charing Cross Road wieder an und tauchten die Szene in grelle Farben. Direkt vor der Buchhandlung befanden sich drei Männer auf dem Bürgersteig. Einer hockte mit gesenktem Kopf da. Ein anderer beugte sich mit blutender Nase und wildem Blick über ihn. Der Dritte lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden und rührte sich nicht. Eine rote Pfütze breitete sich unter seinem Kopf aus.
»O Gott«, sagte sie entsetzt. »Sollen wir einen Krankenwagen rufen?«
Der Fahrer schüttelte nur den Kopf, ohne sich umzudrehen. »Ach was. Da sind genug Leute unterwegs. Irgendjemand wird sich schon um ihn kümmern. Glauben Sie mir: Das passiert in letzter Zeit ständig.«
Der Stau vor ihnen löste sich langsam auf, und das Taxi fuhr mit einem Ruck an. Cynthia drehte sich um und schaute aus dem Rückfenster, aber der Wagen hatte beschleunigt, und der reglos daliegende Mann war aus ihrem Blickfeld verschwunden.
24
Katrina vögelte mit einem anderen, da war ich mir sicher. Ich saß auf dem Dach des Kanalboots, die Fingerknöchel gegen die Stirn gepresst, und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Es war ein kalter Februarabend, und die Luft stach mir in die Lunge wie ein Messer. Trotzdem machte ich mir gar nicht erst die Mühe, mir eine Jacke anzuziehen. Wem würde es schon was ausmachen, wenn ich krank wurde und starb? Meiner Frau bestimmt nicht. Ich schlug mit der Faust auf das Bootsdach, so fest, dass es wehtat.
Ich hatte diesen Verdacht schon seit Längerem. Die Gedanken kamen aus dem Nichts, überfielen mich und loderten in mir auf wie ein Feuer. Aber dann waren sie nach wenigen Minuten wieder erloschen, sodass ich mich fragte, ob es diesen anderen Mann wirklich gab oder ich ihn mir nur einbildete.
Aber in letzter Zeit war der Gedanke ständig da. Es passte alles zusammen: Katrinas Überstunden im Büro. Ihr nachlassendes Interesse an Sex. Dass sie in meiner Nähe manchmal so schreckhaft und nervös war. Dafür konnte es nur einen Grund geben: Meine Frau betrog mich, sie war eine Schlampe. Bei der Vorstellung, dass Katrina mit einem anderen schlief, zitterte ich am ganzen Leib, und das nicht wegen der Kälte. Es war, als ob sich mein ganzer Körper zu einer Faust ballte. Natürlich hätte ich von Anfang an wissen müssen, dass sie mich eines Tages nicht mehr gut genug finden würde. Aber ich wollte sie ja unbedingt heiraten, ich Idiot!
Da sah ich aus dem Augenwinkel, wie etwas über dasDach des Kanalboots glitt. Eine Schlange! Sie kam direkt auf mich zu. Ehe ich mich rühren konnte, ringelte sie sich um meinen Knöchel. Ich schrie und trat um mich, so fest ich konnte, bis das schleimige, eklige Ding davonflog und mit einem Platschen im Wasser landete. Mein Herz schlug wie verrückt, als ich über die Bootskante spähte, voller Angst, die Schlange könnte an Land schwimmen und mich erneut angreifen. Aber da war nichts. Im Licht der Straßenlaterne neben dem Treidelpfad, die aufs Wasser schien, war nichts außer einem vorbeitreibenden Ast zu sehen. War ich schon wieder verwirrt gewesen? Hatte ich den Ast für eine Schlange gehalten? Ich starrte lange ins Wasser und versuchte, aus alldem schlau zu werden. Dann schüttelte ich den Kopf. Nein, in diese Falle würde ich ihr nicht gehen. Katrina sagte ständig, ich würde Dinge sehen, die es gar nicht gab. Aber das war gelogen, ich sollte bloß an meinem Verstand zweifeln, damit sie mit diesem Typen ficken konnte.
Die Wut riss an mir, wurde größer und größer, bis ich fast explodierte. Meine Frau war irgendwo da draußen, lachte und trank – mit ihm. Ich sprang ins Heck und ließ den Motor an. Zähneknirschend manövrierte ich das Boot rückwärts aus seinem Liegeplatz.
Ich würde ihr zeigen, wer sich hier was einbildete.
Cynthia musterte die anderen Passagiere verstohlen. Mehr als die Hälfte der Gesichter in ihrem Waggon wies
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