Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition)
rechnete damit, dass die Musik gleich aufhören würde, aber stattdessen gingen die Schlussakkorde nahtlos in einen Song der Kings of Leon über.
»Noch einen Drink?«, rief Damien über die Musik hinweg.
Sie sah auf die Uhr. Es war kurz nach drei. »Jetzt wird bestimmt nichts mehr ausgeschenkt. Die schließen gleich.«
Von der Hitze und dem Tanzen war sie ein bisschen verschwitzt, und ihre Locken kringelten sich über der Stirn. Damien strich ihr eine Strähne aus den Augen und schob sie ihr sanft hinters Ohr. »Nein, wir haben noch zwei Stunden. Der Besitzer ist Shifter. Er sieht nicht ein, warum die Leutegezwungen sein sollen, nach Hause zu gehen, wenn die Nacht noch jung ist.« Er zog sie in Richtung Bar.
Noch zwei Stunden, hallte es in ihrem Kopf, und sie hätte weinen können vor Frust und Erschöpfung. Sie wollte nur noch nach Hause ins Bett.
Stattdessen kletterte sie mühsam auf einen Barhocker. Ihre Glieder waren bleischwer. Immer wieder fielen ihr die Augen zu, und der Boden schien wegzukippen, als würde der Raum mit allem darin in wohltuender Dunkelheit versinken.
»Ich glaube, es gibt einen Grund, warum Bars gegen drei Uhr früh schließen«, sagte sie matt. »Nämlich weil dann die meisten Leute bettreif sind.«
Damien verdrehte nur die Augen. »Es gibt Millionen Menschen, die gar nicht mehr ins Bett gehen. Warum sollte es nicht auch ein paar Clubs geben, die auf unsere Bedürfnisse eingehen?« Er beugte sich über den Tresen und versuchte, die Aufmerksamkeit des Kellners zu erregen. »Und, was nimmst du? Ich würde sagen, es ist Zeit für einen Sambuca.«
Aber der Gedanke, noch zwei Stunden weiterzutrinken und zu tanzen, war unerträglich. Sie hob die Hand und zerzauste zärtlich Damiens Haar. »Wir hatten einen tollen Abend, aber jetzt bin ich müde und würde gern nach Hause gehen.«
Der Blick, den er ihr zuwarf, ließ bei ihr sämtliche Alarmglocken schrillen. Er ging ihr durch Mark und Bein. Damien legte Cynthia eine Hand auf die Schulter, beugte sich vor und flüsterte ihr ins Ohr: »Das mit der Müdigkeit lässt sich ändern. Die Kapsel, die ich dir gegeben habe – hast du die dabei?«
Sie schloss die Augen und nickte. Sie hatte sie tatsächlich dabei, irgendwo in den Tiefen ihrer Handtasche. Aber sie wollte sie nicht nehmen. Sie hatte wirklich versucht, sich einzureden, dass ihre Ängste irrational waren. Doch siewurde einfach das Gefühl nicht los, dass es ein schrecklicher Fehler wäre, 24/7 zu nehmen.
»Komm schon!«, sagte Damien drängend und strich über ihre Schulter. »Dann ist deine Müdigkeit sofort verschwunden, und wir können so lange bleiben, wie wir wollen: zwei Nachtschwärmer, die zusammen die Stadt unsicher machen.«
Cynthia lehnte sich an ihn und ließ die Stirn an seiner Brust ruhen. In dem sich verdichtenden Nebel der Erschöpfung fiel es ihr schwer, noch einen klaren Gedanken zu fassen. »Tut mir leid, Damien, aber … ich bin einfach noch nicht so weit. Ich hatte gehofft, wir würden zusammen nach Hause gehen und …«
Er entzog sich ihr so abrupt, dass sie sich an der Tresenkante festhalten musste, um nicht vom Hocker zu fallen. Sein zärtlicher Blick war verschwunden, stattdessen war sein Gesicht zu einer zornigen Maske erstarrt.
»Ja, ich hab schon verstanden! Du willst nach Hause und im Bett rumliegen, weil das ja so viel schöner ist, als Zeit mit dem Menschen zu verbringen, den du angeblich liebst.« Er steckte die Hände in die Hosentaschen und zog die Schultern hoch, als müsste er sich gegen einen Sturm stemmen. »Tut mir leid, Cynthia, aber ich bin Shifter. Das gehört einfach zu mir. Und wenn du die Hälfte deines Lebens wegwerfen und dich tot stellen willst, weil du zu viel Angst hast oder zu rückwärtsgewandt bist, um im Hier und Heute zu leben, ist das verdammt noch mal dein Problem.«
Cynthia konnte ihn nur ungläubig anstarren, während Wut ihre Erschöpfung verdrängte. »Mein Gott, Damien, weißt du eigentlich, was du da sagst ? Merkst du nicht, dass du dich gerade wie ein Arschloch verhältst? Ich habe dir erklärt, warum ich Vorbehalte gegen Medikamente habe. Ich habe versucht zu verstehen, warum dir deine alten Freunde plötzlich egal sind, und mich bemüht, deine neuen zuakzeptieren. Obwohl sie ehrlich gesagt langweilig bis zum Gehtnichtmehr sind für jeden, der keine Lust hat, den ganzen Abend über ›Schläfer‹ zu lästern. Zu denen übrigens immerhin noch vier von fünf Menschen zählen, falls du das noch nicht bemerkt haben
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